EU-Wahl: Viele Fragen - viele Antworten

Im Vorfeld der EU-Wahl am Sonntag hat es viele Fragen gegeben, wie es künftig mit der EU weitergehen soll. Die Antworten der österreichischen Parteien sowie deren steirischen Spitzenkandidaten darauf sind unterschiedlich.

Die EU-Wahl wird immer wieder als „Richtungswahl“ bezeichnet - tatsächlich kam in den vergangen Wochen und Monaten Bewegung ins parlamentarische Getriebe: Die Große Koalition zwischen Sozialdemokraten und Konservativen dürfte nach der Wahl Geschichte sein. Aktuellen Umfragen zufolge verlieren die beiden Parteien die absolute Mehrheit - mehr dazu in Macron und Liberale: EU-Bündnis nimmt Form an (news.ORF.at).

Die großen Parteien dürften also gezwungen sein, breitere Koalitionsgespräche mit Grünen und Liberalen zu führen. Beim Wahlergebnis dürfte die Europäische Volkspartei die Nase vorne haben. Deren Spitzenkandidat, der Deutsche Manfred Weber (CSU), bewirbt sich für das Amt des Kommissionspräsidenten. Allerdings können auch die Staats- und Regierungschefs einen Kandidaten dafür vorschlagen. Insofern könnte ein Machtkonflikt zwischen Rat und Parlament drohen.

Rechtsparteien wollen eine Fraktion

Geht es nach Harald Vilimsky (FPÖ) und anderen Kandidaten aus dem rechten Lager, sollten sich alle rechtspopulistischen und rechtskonservativen Parteien zu einer Fraktion vereinen - die ENF-Fraktion (Europa der Nationen und der Freiheit), in der die FPÖ momentan sitzt, will damit zweitstärkste Fraktion werden und die ungarische FIDESZ-Partei des rechtspopulistischen Premier Viktor Orban als Partner gewinnen: Man hätte dann mehr Gewicht im EU-Parlament. Auf Inhalte konnte man sich allerdings bisher noch nicht einigen und ob alles so kommt wie geplant, ist nach den jüngsten Vorfällen um den „Ibizia-Skandal“ nicht klar.

EU kämpft mit geringer Wahlbeteiligung

Nicht nur in Österreich, in ganz Europa gehen immer weniger Menschen zur Wahl, um das europäische Parlament zu wählen: Lag die Wahlbeteiligung Ende der 70er-Jahre noch bei knapp über 60 Prozent, ist man 2014 bei rund 40 Prozent angekommen. Dabei ist das EU-Parlament auch maßgeblich für die nationale Gesetzgebung und beeinflusst somit die Lebensumstände aller EU-Bürger.

Höchster - niedrigster Stimmenanteil bei Landtagswahlen

Höchster Stimmenanteil Niedrigster Stimmenanteil
SPÖ 44,71 % (1970) 29,29 % (2015)
ÖVP 53,27 % (1974) 28,45 % (2015)
FPÖ 26,76 % (2015) 4,2 % (1974)
Grüne 6,68 % (2015) 2,88 % (1991)
KPÖ 6,34 % (2005) 0,57 % (1995)
Den höchste Stimmenanteil überhaupt verzeichnete die ÖVP 53,27 Prozent im Jahr 1974.

Die steirische Spitzen im Gespräch

Im Vorfeld der EU-Wahl bat der ORF Steiermark die steirischen Spitzenkandidaten - Susanne Schmiedtbauer (ÖVP), Bettina Vollath (SPÖ), Georg Mayer (FPÖ), Werner Kogler (Grüne) und Stefan Windberger (NEOS) - ins Studio, auch um Ihre Fragen zu beantworten. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der Gespräche:

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Vergleicht man die Wahlprogramme von ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS, tun sich einige Gemeinsamkeiten auf: So sprechen sich mittlerweile alle Parteien dafür aus, dass die Außengrenzen besser geschützt werden müssen. Im Sinne der Parteien ist es auch, das Studenten-Austauschprogramm Erasmus auszubauen und auf Lehrlinge und Schüler auszuweiten.

Europa-Fähnchen

APA/Georg Hochmuth

Einig ist man sich auch beim Klima- und Umweltschutz: Es muss etwas getan werden, bevor es zu spät ist, lautet der Tenor. Wie das genau aussehen soll, dabei kommt man nun wiederum nicht auf einen grünen Zweig. Ein Teilaspekt davon könnte die Erneuerung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sein, doch auch hier herrscht ein Mangel an Einigkeit, wie das genau aussehen könnte. Der Digitalisierung müsse man angemessen begegnen und Europa auf den neuesten Stand der Technik bringen.

Steueroasen innerhalb der EU will man das Wasser abgraben, aber schon bei der Finanztransaktionssteuer setzt man unterschiedliche Prioritäten - FPÖ und NEOS haben sie etwa gar nicht im Programm. Wo man sich nun so gar nicht einig ist, ist die Vertiefung der EU: NEOS will die Vereinigten Staaten von Europa, die Grünen sprechen von der Republik Europa, die FPÖ will so wenig Europa wie nur irgendwie möglich.

Nicht in Stein gemeißelt

Bei all den Gemeinsamkeiten und Positionen darf aber eines nicht übersehen werden: Was im Wahlprogramm steht, ist nicht unbedingt ein Garant für die Umsetzung. Vieles ist in den Programmen nur vage beschrieben, wie die konkrete Umsetzung aussehen wird, steht dann auf einem anderen Blatt. Was die Vertreter der Parteien im Parlament tatsächlich beschließen werden, ist in vielen Fällen Kompromiss- und Aushandlungssache. Auch das Abstimmungsverhalten darf schließlich nicht außer Acht gelassen werden. Auch hier zeigen sich teilweise Divergenzen zu den ursprünglichen Vorschlägen.

Die Schwerpunkte der steirischen Spitzen

Zudem wird in Wahlkämpfen immer stärker auf Personen gesetzt, inhaltliche Schwerpunkte drohen dabei unterzugehen. steiermark.ORF.at hat die Themenschwerpunkte der steirischen Kandidaten zusammengefasst - als Überblick über die Programme der Parteien und als Orientierungshilfe.

Wahlprogramme schwer verständlich

Eine wichtige, ja geradezu groteske Feststellung machten deutsche Wissenschaftler: Die Europawahlprogramme der österreichischen Parteien sind für Laien nur wenig verständlich. In den Programmen fänden sich Schachtelsätze mit bis zu 63 Wörtern, englische Fachbegriffe wie „Anti-Tax-Avoidance-Directive“ (NEOS) und Sprachmischmasch wie „Better Regulation-Strategie“ (ÖVP).

Das SPÖ-Programm - mit 23.000 Wörtern auch das umfangreichste - sei noch am verständlichsten, das von NEOS gleiche vom Verständlichkeitsgrad her einer wissenschaftlichen Doktorarbeit. Auf einem von den Wissenschaftlern eigens erstellten Index erreichen die österreichischen Wahlprogramme 8,4 Punkte - wobei 20 Punkte am einfachsten, 0 Punkte am schwierigsten zu verstehen sind. Mit dem Durchschnittswert liegt man sogar über den deutschen EU-Wahlprogrammen. Spitzenreiter war die SPÖ (11,2 Punkte) vor der ÖVP (8,8), den Grünen (7,5) und den NEOS (5,9). Die FPÖ wurde mangels explizit definierten Europawahlprogramms nicht berücksichtigt.

SPÖ überraschend negativ

Die Wissenschaftler analysierten auch Themenbereiche und die Tonalität der Programme. Arbeit und Soziales ist mit einem durchschnittlichen Anteil von 15,7 Prozent der größte Themenbereich, es folgen die Bereiche Umwelt/Energie/Verkehr sowie die Außen- und Sicherheitspolitik. Insgesamt erreichen die Parteien bei den verschiedenen Themen selten eine Verständlichkeit von mehr als zehn Punkten. Die unverständlichsten Themen bei allen Parteien sind Wirtschaft und Forschung sowie Regional- und Strukturpolitik.

Die meisten positiven Wörter verwendeten NEOS und die ÖVP, die negativste Sprache fand sich bei der SPÖ. „Das Ergebnis der SPÖ ist etwas überraschend“, analysierte Frank Brettschneider von der Universität Hohenheim, der mit seinem Team regelmäßig Wahlprogramme untersucht. „Unsere Trends zeigen, dass insbesondere die Parteien an den politischen Rändern eine tendenziell negative Tonalität haben.“

Europaflagge weht im Wind

ORF

KPÖ Plus

Insgesamt stehen sieben Parteien am Stimmzettel - das sind neben ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS auch die KPÖ und die Initiative 1 Europa. Katerina Anastasiou, die Listenerste der KPÖ will sich mit ihrer Partei als offene Linksbewegung positionieren und sich für neue wirtschaftliche Modelle in Europa stark machen - mehr dazu in KPÖ-Kandidatin für neue Ökonomie in EU (news.ORF.at).

Probleme habe man mit der Sprache, weil die KPÖ einen sehr akademischen Wortschatz verwende; allerdings sehe man am Beispiel Graz, dass auch die kommunistische Partei volksnah Politik machen könne, sagt Anastasiou.

Initiative 1 Europa

Die „jüngste“ Liste, wenngleich mit einem der erfahrensten EU-Parlamentarier, trägt den sperrigen Namen EUROPA Jetzt ‒ Initiative Johannes Voggenhuber. Voggenhuber - ein Ex-Grüner tritt mit Unterstützung der Liste Jetzt an. Er war vom EU-Beitritt Österreichs 1995 bis zum Jahr 2009 Mitglied des Europäischen Parlaments, schied dann aber im Streit mit den Grünen aus der Partei aus. Wichtig ist Voggenhuber vor allem mehr Bürgernähe und mehr direkte Demokratie - mehr dazu in Voggenhuber gegen EU der „Reichsfürsten“ (news.ORF.at).

Für die Initiative engagiert sich auch die Grazerin Gabriele Faller: Sie hat den dritten Platz und setzt sich vor allem für die Energie-Thematik ein. Ins Europa-Parlament wird sie wohl nicht kommen - aktuellen Umfragen zufolge schafft nicht einmal der Listenerste, Voggenhuber selbst, den Einzug ins Parlament.

Was wird aus Europa?

Fünf Szenarien für die Zukunft Europas sieht das berühmte EU-Weißbuch aus dem Jahr 2017 vor. Wir haben alle Spitzenkandidaten zur EU-Wahl auf dem „gelben Sessel“ gefragt, ob sie ein Mehr oder ein Weniger vom EU-Europa haben wollen - mehr dazu in Sieben Antworten auf dem „gelben Sessel“ (news.ORF.at)

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