Landesgericht Graz
ORF.at/Roland Winkler
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Gericht

Besten Freund niedergestochen: Ein Jahr Haft

Am Montag ist in Graz ein Mann wegen versuchten Mordes vor einem Geschworenensenat gestanden. Ihm wurde vorgeworfen, seinen besten Freund durch einen Messerstich in den Rücken schwer verletzt zu haben. Das Urteil: ein Jahr Haft.

Die Staatsanwältin hatte versuchten Mord angeklagt: Ihrer Meinung nach könne niemand einen Stich in den Rücken so genau dosieren, und das sei „eine Stelle, wo jeder Laie weiß, da kann etwas passieren, wenn man hineinsticht“. Sie beschrieb ausführlich den Streit zwischen zwei ehemals sehr guten Freunden, der mit einem abgesagten Urlaub begann und eben mit dem Messer im Rücken endete.

Anklägerin: „Nur Glück“

Der Beschuldigte soll kurzfristig eine Fahrt nach Kroatien abgesagt haben und in betrunkenem Zustand der Mutter seines Freundes von dessen Drogen- und Frauengeschichten erzählt haben. Als der Freund vom Angeklagten verlangte, er solle das alles zurücknehmen und nochmals mit der Mutter reden, kam es zum Ausraster des 25-Jährigen, und er stach dem völlig Überraschten in den Rücken. Die Anklägerin sprach von „enormem Blutverlust“ und dass es nur Glück gewesen sei, dass kein Organ getroffen wurde.

Verteidiger: „Kein Totschlag und keine Notwehr“

Der Verteidiger versuchte, den Vorfall zu relativieren: „Das Messer ist nur drei Zentimeter tief eingedrungen“, erklärte er; außerdem habe der Angeklagte selbst sofort die Polizei gerufen. „Das ist kein Totschlag und keine Notwehr, er ist schuldig wegen schwerer Körperverletzung.“

„Ich war enttäuscht, aber ich wollte ihn nie töten“

Der Angeklagte erzählte, dass er seinen Freund immer unterstützt habe: „Wenn er gerauft hat, habe ich seine blutige Wäsche gewaschen, damit seine Mutter nichts merkt.“ Dann sei er aber maßlos enttäuscht gewesen, weil der Freund über ihn schlecht geredet habe, so seine Version. Bei einem Treffen in der Wohnung eskalierte der Streit, und als der andere zur Tür hinausging, „habe ich irgendein Messer aus dem Messerblock genommen und zugestochen“, schilderte er. „Ich war enttäuscht, aber ich wollte ihn nie töten“, beteuerte er.

„Ich war komplett geschockt“

Eine etwas andere Geschichte als der Angeklagte erzählte das Opfer über die Freundschaft der beiden Männer. „Er ist von meiner Familie immer eingeladen worden, zu Formel-1-Rennen, Konzerten und so“, schilderte er. „Er hat meiner Mutter Lügengeschichten über mich erzählt“, sagte der Zeuge erbost. Dann habe er auch im letzten Moment den Urlaub in Kroatien abgesagt. „Waren Sie böse auf ihn?“, fragte der Richter. „Ist mir komplett egal“, meinte der Befragte. Seine Version der Tat sah etwas anders aus – er hatte bereits die Wohnung des Angeklagten verlassen und bückte sich nach seiner Jacke, als ihn dieser in den Rücken stach. „Ich war komplett geschockt“, beschrieb der Oststeirer.

Urteil nicht rechtskräftig

Die Geschworenen befanden, dass es kein Mordversuch, sondern eine schwere Körperverletzung war. Mit der Strafe in der Höhe von einem Jahr unbedingte Haft waren weder die Staatsanwältin noch der Angeklagte zufrieden – beide kündigten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.