Polizist
ORF.at/Christian Öser
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Religion

Auch Polizisten brauchen Seelsorge

Selbst der härteste Polizist braucht ab und an jemanden, der ihm zuhört. Elisabeth Lienhart ist so jemand – sie ist die erste Polizeiseelsorgerin in der Steiermark. Sie sagt: „Oft ist es zuerst nur ein netter Besuch, aber dann entstehen tiefe Gespräche.“

„Vor vielen Jahren war es undenkbar, dass es eine Frau in der Polizei gibt, jetzt gibt es österreichweit schon viele Beamtinnen. Da war es wichtig, dass sich das in der Polizeiseelsorge widerspiegelt“, so Lienhart. Seit 2012 hat die Grazerin die Leitung des Krisenmanagements der Diözese Graz-Seckau inne, im Oktober 2018 wurde sie schließlich zur Polizeiseelsorgerin ernannt. Österreichweit sind die Seelsorger für rund 35.000 Polizistinnen und Polizisten zuständig, neben Lienhart gibt es drei weitere weibliche Polizeiseelsorger, zwei in Wien und eine in Niederösterreich.

Aus einem Schmäh wird oft Tiefsinniges

Lienharts Arbeit umfasst drei Bereiche: Notfall- und Krisenseelsorge, Krisenmanagement der Diözese Graz-Seckau und eben die Polizeiseelsorge. Zu ihrem Arbeitsalltag gehören unter anderem die Besuche der Polizeieinheiten: „Da fängt es oft mit einem Schmäh an und geht dann in tiefsinnige Gespräche über“, erzählt Lienhart in einem Gespräch mit der APA.

Das alljährliche Gedenken an verstorbene Polizisten, die österreichweite Polizeiwallfahrt nach Mariazell und Feiern wie zu den Festen im kirchlichen Jahreslauf organisiert die Polizeiseelsorge mit, auch bei den Ausmusterungsfeiern der Polizeischüler ist sie zugegen, das sei der Exekutive wichtig. „Ich glaube, dass es den Polizisten in ihrem herausfordernden Arbeitsfeld wichtig ist, dass es solche Treffen gibt. Da entsteht so viel“, so Lienhart.

Die erste steirische Polizeiseelsorgerin Elisabeth Lienhart
APA/PETER KOLB
Elisabeth Lienhart

Ihre Aufgabe sei es, auf die Beamten zuzugehen, ohne dabei aufdringlich zu sein. Aus ihren Erfahrungen zählt laut Lienhart in erster Linie, dass überhaupt jemand zum Reden da ist. „Es geht darum, individuell zu helfen.“ Auch im Arbeitsfeld der Notfall- und Krisenseelsorge ist es, Dinge zu benennen, die vielleicht andere Stellen nicht so thematisieren, „dass etwa nur die Trauer da sein darf, aber es darf auch die Wut da sein oder die Anklage. Aber auch die Dankbarkeit und Erleichterung“, zählt Lienhart auf.

Uniform und Vespa

Wichtig ist der 44-Jährigen, dass die Polizeiseelsorge sich weiter entwickelt, mit der Zeit geht und „kreativ“ ist: „Mir ist zum Beispiel aufgefallen, dass in den Landespolizeidirektionen viele Polizisten mit der Vespa kommen. Ich bin selber Vespa-Fahrerin, und da habe ich gedacht, wir könnten ja mal gemeinsam eine Ausfahrt machen“, erzählt Lienhart. So wurde im vergangenen Jahr das erste Mal die sogenannte Vespa-Wallfahrt „Biken-Beten-Buschenschank“ angeboten – heuer im Mai soll es wieder eine Ausfahrt geben. Mittlerweile sei auch spürbar, dass die Seelsorge ein fixer Bestandteil polizeilichen Alltags ist. Lienharts Uniform trägt dazu bei: „Sie sagt aus: ‚Du gehörst zu uns dazu‘“, erklärte Lienhart.

„Wir sind füreinander da“

Die 44-jährige Grazerin ist schon seit Jahren in der Seelsorge und im Krisenmanagement tätig. In ihrer Masterarbeit für das Studium „Risikoprävention und Krisenmanagement“ beschäftigte sie sich mit der Krisenkommunikation im Zuge der Amokfahrt von Graz im Juni 2015 – sie war damals selbst als Mitarbeiterin der Krisenintervention vor Ort.

Am Weg zum Treffpunkt am Hauptplatz wurde sie – an ihrer KIT-Jacke kenntlich – in der Innenstadt von Menschen förmlich „in die Geschäfte gezogen“, wohin sich viele geflüchtet hatten. „Es gab unterschiedliche Betroffenheiten, aber die Verletzlichkeit war plötzlich bei allen da.“ Sie sei überzeugt, dass damals trotz der „Schwere der Situation“ vieles gut gelungen sei, alle Stellen hätten mitgeholfen und alles Mögliche eingebracht. „Die Solidarität und das Miteinander intensivieren sich in solchen Zeiten von selbst“, sagt Lienhart. An der Gestaltung der in der Öffentlichkeit damals propagierten Botschaft „Wir sind für einander da“ wirkte sie mit, auch an der Festlegung von Trauerplätzen in der Stadt.

Corona: „Weiterhin gut zusammenarbeiten“

Die Zusammenarbeit ist laut Lienhart auch eine der Erkenntnisse, was von der Amokfahrt 2015 geblieben ist: Die Kirche und somit auch die Seelsorge sei seither noch mehr ein Netzwerkpartner für Stadt und Land und die Gesellschaft. Das zeige sich in Zeiten des Coronavirus: Die Kirche könne leer stehende Objekte für die Quarantäne anbieten und seelsorglicher Gesprächspartner für die Menschen sein.

„Wir sind in der Kirche auch selbst betroffen bei den Gottesdiensten“, betont Lienhart, „weil vor allem Angst vor Orten herrscht, an denen viele Menschen zusammenkommen“. Die Diözese hatte deswegen eine Empfehlung an alle Pfarren ausgeschickt, „dass sich etwa jene, die die Kommunion austeilen, vorher vermehrt die Hände waschen sollen. Oder wir nennen auch Alternativen: Zum Beispiel, dass die Menschen, die beim Friedensgruß nicht mehr die Hand geben möchten, ihren Nachbarn auch nett zunicken könnten.“ Wichtig ist es laut Lienhart, zur Normalität aufzurufen – und – das Um und Auf – Kommunikation zu pflegen: „Weiterhin gut zusammenzuarbeiten.“