Haselnussstaude mit männlichen Blütenkätzchen
ORF.at/Georg Hummer
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Umwelt

Bilderkennung für schnellere Pollenwarnung

Um zu beantworten, welche Pollen in der Luft vorhanden sind oder in den nächsten Tagen die Schleimhäute reizen werden, sind viel Handarbeit und mühsame Auswertung notwendig. Ein neues System der TU Graz könnte das jetzt schnell und günstig messen.

Erle, Hasel, Esche, Birke, Ragweed: Pollenwarndienste informieren über die Tagesbelastung der Luft durch Blütenstaub und das mögliche Allergierisiko.

Mühevolle und zeitintensive Handarbeit

Kaum jemand weiß jedoch, welche Arbeit dahinter steckt: Die Pollenmessnetze sind Partikelfallen, die größtenteils manuell ausgewertet werden – sie saugen mithilfe eines Motors eine gewisse Menge Luft pro Minute an. Diese trifft hinter dem Ansaugschlitz auf eine Trommel, die mit einem Kunststofffilm versehen ist, auf dem die in der Luft enthaltenen Mikropartikel kleben bleiben, schildert Olga Saukh vom Grazer Institut für Technische Informatik.

Dann beginnt für Pollenexperten die Arbeit: Der nach Tagesabschnitten eingeteilte Streifen wird unter 400-facher Vergrößerung auf Pollen und Sporen untersucht. Spezialisten können die von verschiedenen Pflanzen stammenden Körner unterscheiden und zählen jedes einzelne Mikropartikel. Das können dann schon einige Tausend sein, was die Auswertung sehr zeitaufwendig macht.

Erste Tests wurden auf dem Dach der TU Graz durchgeführt.

Sensor-Prototyp entwickelt

Bisherige automatisierte Fallen sind wiederum sehr teuer. Ein kleines Team von Forschern rund um Saukh sowie dem Labor für Computertechnik und Netzwerke der ETH Zürich haben sich zum Ziel gesetzt, eine kostengünstige automatisierte Technologie zur Erkennung von Pollen zu entwickeln. Sie haben einen Prototyp eines Messsensors entwickelt, der den gesamten Prozess – vom Einfangen der Pollen über das Erfassen bis hin zur Auswertung – erleichtern sollte. Das Ganze funktioniert mithilfe von fortschrittlichen Analysemethoden aus den Bereichen maschinelles Lernen.

„Wir verlassen uns in hohem Maße auf die Bildverarbeitung mit tiefen neuronalen Netzen. Uns interessiert die Weiterentwicklung der Technologie“, betonte die Expertin für vernetzte Sensorik und Datenanalyse an der TU Graz. Langfristig plane man die Einrichtung und den Betrieb eines Netzwerks automatisierter Messstationen, um die Pollenvariabilität in städtischen Räumen zu verstehen und etwa die Korrelation mit wahrgenommenen Symptomen zu untersuchen.

Von Staubsaugern inspiriert

Das Pollenmesssystem besteht aus einem Messgerät, das eine Pollenfalle, einen Partikelkonzentrator und ein digitales Durchlichtmikroskop beinhaltet, und aus einem Cloud-Service, in dem die mikroskopisch erfassten Pollen-Bilder analysiert werden. Die Pollenfalle hat sechs Einlässe, die Pollen aus allen Flugrichtungen erfassen können. „Wir haben uns von modernen Staubsaugertechnologien inspirieren lassen und verwenden zum Sammeln der Pollenproben einen Zyklon, wie er für beutellose Staubsauger genutzt wird, die den aufgesaugten Schmutz in einem Auffangbehälter sammeln“, erklärt Nam Cao, der den automatisierten Pollensensor-Prototypen im Rahmen seiner Dissertation entwickelt hat.

Handelsübliche Rasierklinge

Der Blütenstaub landet im Inneren des Gerätes auf einer rotierenden Glasplatte, die mit einer dünnen Schicht Glycerin überzogen ist – dieses sorgt dafür, dass die Pollenkörner am Glas haften bleiben. Die glyceringetränkten Pollen werden von einer handelsüblichen Papierschneideklinge in einer dünnen Spur auf der Glasplatte verteilt. Je schmäler diese Spur ist, desto mehr Pollen können mikroskopisch erfasst werden, und desto höher sei die Qualität der Bilder, die anschließend analysiert werden. Bis zu 100 mikroskopische Bilder können in 30 Sekunden in die Cloud hochgeladen werden – danach werden die Pollen automatisch abgewischt, so dass das Messsystem über lange Zeiträume ohne Wartung arbeiten kann.

Software zur Erkennung

Die Identifizierung und Klassifizierung der Pollenkörner übernimmt eine Objekterkennungssoftware, die die Bilder in kleinste Bestandteile auflöst und nach Mustern in den gewonnenen Daten sucht.

Um das Modell mithilfe maschineller Lernalgorithmen trainieren und weiter verbessern zu können, haben die Forschenden einen Teil der erfassten Daten manuell annotiert. Nun will man die exakte Klassifizierung der Pollen weiter vorantreiben: „Das ist ein laufender Prozess, wo wir auf die Unterstützung von Pollenfachleuten angewiesen sind“, schildert Saukh.

Acht Kilogramm und 1.000 Euro

Der Prototyp der Apparatur wiege rund acht Kilogramm, misst rund 30 mal 40 Zentimeter und hat einen Stromverbrauch von sechs Watt. „Die Materialkosten belaufen sich auf maximal 1.000 Euro“, schätzte die Forscherin. Vergleichbare bereits verfügbare vollautomatisierte Pollenmessgeräte würden bis zu 100.000 Euro kosten.