Christusstatue am Kreuz beim Franziskanerkloster
ORF.at/Georg Hummer
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Religion

Karfreitagsansprache von Superintendent Wolfgang Rehner

Auch die christlichen Osterbotschaften stehen heuer ganz im Zeichen der CoV-Krise. Superintendent Wolfgang Rehner erinnert an Dietrich Bonhoeffer.

Was für ein Karfreitag!

Zum ersten Mal stehen am Karfreitag Betriebe und Geschäfte in unserem Land still. Kaum jemand ist verreist. Die Menschen sind daheim. Nein, diesen Karfreitag haben wir uns so nicht gewünscht. Wir erleben nicht einen freien, sondern einen stillgelegten Karfreitag. In vielen Wohnungen wachsen die Nöte; in Einrichtungen, Systemen, Beziehungen steigt der Druck. Nein, diesen Karfreitag haben wir uns so nicht gewünscht. Wir erleben nicht einen Karfreitag für alle, sondern Einschränkungen für alle. Zunehmend fühlen Menschen sich wie im Gefängnis. Was für ein Karfreitag!

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,
flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot
um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.
So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

2020 in Österreich gibt es also Karfreitag ohne Gottesdienste in den Kirchen. Für „Kirche in den eigenen vier Wänden“ jedoch wurden an den letzten Sonntagen vielfältige Angebote ausprobiert. Es ist beeindruckend, wie viel Phantasie und kreativer Umgang mit den Medien unserer Zeit in der alten Organisation Kirche während der letzten Wochen freigesetzt wurde. Ein wenig erinnert das an die graue Vorzeit der Evangelischen in Österreich: Sieben Generationen hindurch haben sie Gottesdienst in den eigenen vier Wänden gefeiert und so den Glauben von Großeltern auf Enkel weitergegeben, als sie sich nicht zu Gottesdiensten versammeln durften.

Das alles beschreibt aber nicht die Herausforderung des Karfreitags. Die Herausforderung dieses Karfreitags ist, dass wir Gott dort suchen, wo er zu finden ist.

Denn der Karfreitag zeigt: Gott ist dort zu finden, wo die Not am größten ist. Allerdings nicht als der rettende Superheld, sondern im tiefsten Leid:

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,
finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,
sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.
Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.

Diese Verszeilen hat Dietrich Bonhoeffer in Gefangenschaft verfasst. Am Donnerstag waren es 75 Jahre, dass er im KZ Flossenbürg gehenkt wurde. Ein Monat vor Kriegsende starb ein bedeutender Glaubenszeuge einen Tod, dem man keinen Sinn abgewinnen kann. Und ich bin sicher: Bei jedem sinnlosen Tod leidet Gott selbst mit. Wenn also wir, Kinder dieser Welt, wissen wollen, wo Gott zu finden ist, lautet die Antwort: „Gott war in Christus“ – am Kreuz, in den Schmerzen. So schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth: „In der Person von Christus hat Gott die Welt mit sich versöhnt,… und uns hat er die Aufgabe anvertraut, diese Versöhnungsbotschaft zu verkünden.“ (2.Korintherbrief 5,19)

Karfreitagsansprache von Superintendent Wolfgang Rehner

Auch heute ist Gott zu finden, im Leid, in der Not der Unfreiheit, in den Schmerzen der Trauer und der Trennung dieser Corona-Tage. Die Botschaft des Karfreitags ist aber nicht, dass Gott das Leid und die Not liebt, sondern dass er die Menschen und die Welt liebt. Er hat eine Liebe gezeigt, die bis in den Tod geht, um Versöhnung in der Welt und mit der Welt zu ermöglichen.

Versöhnung ist möglich, weil Gott alles gibt. Versöhnung wird Wirklichkeit, wenn ich Gottes Tat in meinem Leben wirken lasse.

In der Sprache der Corona-Zeit heißt das: In Christus gibt Gott alles, damit das System wieder hochgefahren werden kann. In der Sprache der christlichen Tradition nennt man das: Ostern, Fest der Auferstehung. Sein Inhalt gibt Hoffnung und Perspektive.

Hoffnung, wie der todgeweihte Dietrich Bonhoeffer sie hatte, der vor seiner Hinrichtung sagte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Und dessen Verse weiter beschreiben, wo der lebendige Gott zu finden ist:

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,
sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,
stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,
und vergibt ihnen beiden.
Amen

So grüße ich heute und zum Osterfest:
Bleiben Sie gesund, seien Sie gesegnet!