Medizinisches Labor Coronavirus
pixabay/Belova59
pixabay/Belova59
Coronavirus

CoV: Grazer Experte mahnt zur Vorsicht

„Wie sich die Zahlen in Österreich entwickelt haben, ist absolut erfreulich“, sagt die Wiener Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl. Der Grazer Forscher Ivo Steinmetz mahnt bei der Rückkehr zur Normalität aber zur Vorsicht.

Es sei richtig, jetzt auf den Pfad in Richtung eines „normaleren Lebens“ zurückzukehren, betont Steinmetz, immerhin wurde der Bevölkerung so einiges abverlangt, und die mittel- und längerfristigen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen seien sehr fraglich. „Man schadet mit dem ‚ganz harten Lockdown‘ auch gerade älteren Patienten, die an sich medizinische Betreuung brauchen, sie jetzt womöglich aber nicht so in Anspruch nehmen“, sagt der Leiter des Diagnostik- und Forschungszentrums für Molekulare BioMedizin der Medizinischen Universität Graz.

„Kleine Schritte“

Er hoffe, dass die Bevölkerung in Österreich und Europa jetzt gelernt hat, dass es die Distanzierung braucht, um mit dem neuen Coronavirus umzugehen. Vielleicht könne man daher nun Maßnahmen gezielter einsetzen: Die Diskos für Jugendliche und enge Apres-Ski-Bars sollten zwar weiter geschlossen bleiben, „was spricht aber dagegen, etwa ein Restaurant zu öffnen, in dem die nötigen Distanzen eingehalten werden können?“, so Steinmetz. Die Abstände zu wahren und trotzdem „in kleinen Schritten“ Stück für Stück in Richtung Normalität zu kommen, „wird die Herausforderung sein“.

Überraschende Stichprobentests

Die Ergebnisse der Stichprobentests, einerseits im Gesundheitsbereich und andererseits in der Gesamtbevölkerung, waren für Puchhammer-Stöckl aufgrund der wenigen detektierten Fälle zumindest ein Stück weit überraschend. Zum Glück sei die Verbreitung nicht so stark wie vielfach befürchtet, so die Wissenschaftlerin von der Med-Uni Wien, die auch Teil des Beraterstabes des Gesundheitsministeriums zur CoV-Krise ist. Die angekündigte Fortführung der Studien sei zu begrüßen – mehr dazu in Zweite Dunkelzifferstudie startet am Donnerstag (news.ORF.at). Wichtig sei auch, den Blick auf die unterschiedliche Verteilung der Fälle innerhalb Österreichs zu richten.

Dadurch sei mit regional sehr unterschiedlichen Durchseuchungsraten zu rechnen. Während in Hotspots des Ausbruchs, wie etwa in Tirol, vielleicht schon ganz gute Voraussetzungen für die Herdenimmunität gegeben sein könnten, gebe es in anderen Gegenden noch kaum Fälle. Um also landesweit auf die rund 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung zu kommen, die sich nicht mehr so leicht anstecken können, werde es noch einige Zeit dauern.

„Großer Graubereich“

„Das müssen wir mit angezogener Handbremse hinkriegen, ohne dass das Gesundheitssystem überlastet wird und während man die vulnerablen Bevölkerungsgruppen schützt. Hier bewegt man sich in einem großen Graubereich“, so Steinmetz.

Weiter stark aufpassen sollte man vor allem auf die Situation in Pflegeheimen und Spitälern. „Hier kann eine Einzelinfektion eine ganze Kette an Infektionen nach sich ziehen, daher sollte regelmäßig getestet werden“, sagt Puchhammer-Stöckl. Vor allem in Pflegeheimen befinden sich jene Patientengruppen, die am stärksten gefährdet sind.

Schnelltests: Unübersichtliche Lage

Bezüglich der oft diskutieren Schnelltests sei die Lage „nach wie vor absolut unübersichtlich“. Aussagen zum Infektionsstatus von Einzelpersonen auf Basis solcher Tests seien mit sehr vielen Fragezeichen behaftet, zur Beantwortung epidemiologischer Fragen anhand sehr vieler solcher Tests könnten sie jedoch in gewissem Ausmaß beitragen.

Laut Puchhammer-Stöckl kristallisieren sich nun aber ein paar sehr gute Labor-Verfahren zum Antikörper-Nachweis heraus, „die man auch verwenden könnte, wenn man sie denn in größeren Mengen bekommt“. Diese Tests zeigen an, ob eine Person in den vergangenen Wochen eine Covid-19-Infektion durchgemacht hat. Von diesen Informationen erhoffen sich Experten bessere Einblicke in die Dunkelziffer und die sich entwickelnde Herdenimmunität.