Prozess gegen 13 Beschuldigte wegen 19 Raubüberfällen am Dienstag, 16. Juni 2020, am Straflandesgericht in Graz.
APA/INGRID KORNBERGER
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Gericht

Raubserie-Prozess: „Reise durch Strafgesetz“

Im Grazer Straflandesgericht hat am Dienstag der erste große Prozess seit dem CoV-Shutdown begonnen. 13 Angeklagte stehen wegen zahlreicher Raubüberfälle auf Tankstellen und Taxis vor Gericht. Der Staatsanwalt sprach von einer „Reise quer durch das Strafgesetzbuch“.

Insgesamt 13 Angeklagte, großteils Jugendliche und junge Erwachsene, stehen ab Dienstag in Graz vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, in unterschiedlicher Zusammensetzung als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung eine Vielzahl von Raubüberfällen ausgeführt zu haben – konkret auf Taxifahrer, Tankstellen, Supermärkte und Sportwettlokale. Um die Täter auszuforschen, hat die Polizei im Frühjahr 2019 sogar eine eigene „Sonderkommission Schloßberg“ gegründet – mehr dazu in Grazer Raubserie: Auftraggeber geschnappt.

Anklage spricht von krimineller Vereinigung

Die strafbaren Taten, die den 13 Angeklagten im Alter zwischen 17 und 42 Jahren zur Last gelegt werden, sind zwischen November 2018 und April 2019 passiert. Die Staatsanwaltschaft geht von einer kriminellen Vereinigung aus – die Männer hätten sich in der Absicht, Straftaten zu begehen, zusammengeschlossen. Der entstandene Gesamtschaden soll bei mehr als 20.000 Euro liegen. Die Vorgangsweise der Täter sei brutal gewesen.

Ein Österreicher unter den Angeklagten

Die Überfallserie im Großraum Graz hat schließlich in drei Nächten im März des Vorjahres ihren Höhepunkt gefunden – pro Nacht wurde ein Taxilenker überfallen. Die daraufhin gegründete „Soko Schloßberg“ konnte die mutmaßlichen Täter ausforschen.

Bei den Angeklagten handelt es sich vorwiegend um in Tschetschenien geborene russische Staatsangehörige, ein Angeklagter ist Österreicher, zwei weitere sind serbische beziehungsweise kroatische Staatsangehörige. Unter anderem geht es beim Prozess um das Verbrechen des teils versuchten schweren Raubs, um Nötigung, Sachbeschädigung und teils schwere Körperverletzung.

Staatsanwalt: „Reise durch das Strafgesetzbuch“

Von einer „Reise quer durch das Strafgesetzbuch“ sprach dann der Staatsanwalt in seinem Eröffnungsplädoyer und listete die angeklagten Delikte auf: schwerer Raub, schwerer versuchter Raub, schwere Körperverletzung, Nötigung. Er bezeichnete die Serie an Überfällen als „eine Art Heuschreckenplage“, mit der „Graz in Angst und Schrecken versetzt wurde“ und ging Punkt für Punkt die insgesamt 15 Straftaten durch, die die Mitglieder der Bande in unterschiedlicher Zusammensetzung begangen haben sollen – meistens zu zweit oder dritt.

Prozess gegen 13 Beschuldigte wegen 19 Raubüberfällen am Dienstag, 16. Juni 2020, am Straflandesgericht in Graz.
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„Geld her, Geld her“ oder „Money, Money“

Rund eine Stunde lang dauert es, bis er alle Überfälle und Delikte teils detailreich dargestellt hat. „Geld her, Geld her“ oder „Money, Money“ waren die Forderungen bei den Überfällen. Bilder aus einem Lokal hätten gezeigt, wie einer der Angeklagten nach einem Überfall die erbeuteten Geldscheine prahlerisch auf den Tisch wirft. „Jetzt sitzen sie gestriegelt da, haben Jobs und Ausbildungen, aber wie sie wirklich ticken, wird man sehen: Wie sie mit Waffen und Autos protzen. Das sind die Angeklagten. Messen Sie sie an ihren Taten, weil das ist ihr wahres Gesicht.“

Der Staatsanwalt fordert einen „umfassenden Schuldspruch“. Das seien keine Lausbubenstreiche, keine aufgebrochenen Kaugummiautomaten, keine beschmierten Wände, sagte der Staatsanwalt angesichts des teils jugendlichen Alters der Angeklagten. Es handle sich um ein gezieltes brutales Vorgehen einer kriminellen Vereinigung.

Angeklagte zeigten sich teilweise geständig

Einige der Beschuldigten sind vorbestraft, waren wegen der Vorwürfe zuletzt schon Monate in Untersuchungshaft. Die Verteidiger versuchten ein anderes Bild zu zeichnen: „Mein Mandant war beteiligt, ja, aber nicht aus Protzsucht, sondern aus Verzweiflung, weil er hat Kinder, die schwer krank sind“, meinte einer der Anwälte. Ein anderer Verteidiger sieht keinesfalls eine kriminelle Vereinigung, bei der alle 13 zusammen in einem Keller saßen und Pläne schmiedeten: „Manche kennen sich gar nicht.“

Die 13 Angeklagten zeigten sich teilweise geständig, bestreiten aber den Vorwurf der kriminellen Vereinigung. Ein Verteidiger sagte, sein Mandant würde die Hälfte der Mitangeklagten gar nicht kennen.

Prozess gegen 13 Beschuldigte wegen 19 Raubüberfällen am Dienstag, 16. Juni 2020, am Straflandesgericht in Graz.
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Mit Mund-Nasen-Schutz und Abstand

Der Prozess findet im Großen Schwurgerichtssaal des Grazer Straflandesgericht statt. Alle Angeklagten erschienen pünktlich und mit Mund-Nasen-Schutz. Im Saal wurden die Sitzplätze wegen der Abstandsregel vorgegeben. „Können wir die nun runtergeben“, fragte noch vor Prozessbeginn einer der Rechtsanwälte einen Berufskollegen und deutete dabei auf seinen Mund-Nasen-Schutz. Ein fragender Blick war die Antwort. Die Unklarheiten waren allerdings rasch durch Richterin Kornelia Philipp beseitigt: „Alle können ihre Masken auf eigene Gefahr runternehmen“, sagte sie gleich zu Beginn. Fast alle nahmen das Angebot an.

Ungewohnt blieb das Setting: Die Angeklagten mussten untereinander einen Sitz Abstand halten und wurden somit auf zwei Reihen aufgeteilt. Ihre Anwälte versuchten ebenfalls Distanz zu halten. Die Journalisten durften erstmals auf der Galerie Platz nehmen, die ansonsten nur Gerichtsmitarbeitern und Sicherheitspersonal vorbehalten ist.

Kleine Kinder als Zuhörer nicht erlaubt

Gerichtssprecherin Barbara Schwarz sorgte auch im Zuschauerraum für Ordnung. Nur wer im selben Haushalt lebt, darf ohne Abstand nebeneinandersitzen. Eine Frau mit Kleinkind muss wieder gehen – so kleine Kinder als Zuhörer sind nicht erlaubt, lautete die Begründung. Apropos Kinder: Manche der Beschuldigten sind noch nicht volljährig, einige erst junge Erwachsene.

Zehn Verhandlungstage angesetzt

Der Strafrahmen bei schwerem Raub beträgt bis zu 15 Jahre Freiheitsstrafe, wenn der Angeklagte jünger als 18 Jahre ist, beträgt er siebeneinhalb Jahre. Die Staatsanwaltschaft hat 53 Zeugen beantragt. Bis Anfang Juli sind insgesamt zehn Verhandlungstage geplant.