Leere Bänke in Stadion
APA/ERWIN SCHERIAU
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Wissenschaft

Studie: „Geisterspiele“ bringen Heimnachteil

Forscher der Universität Graz haben sich damit auseinandergesetzt, wie sich „Geisterspiele“ im Fußball auf die Leistung der Mannschaften auswirken. Belegt werden konnte ein klarer Heimnachteil.

Mannschaften, die zu Hause spielen, gewinnen überproportional oft – dieses Phänomen des Heimvorteils im Sport ist wissenschaftlich schon vielfach bestätigt worden: So haben Studien etwa aufgezeigt, dass durchschnittlich 45 Prozent an Heimsiegen lediglich 30 Prozent an Auswärtserfolgen gegenüberstehen.

„Geisterspiele“ drehen Heimvorteil um

Bei so genannten „Geisterspielen“ ohne Publikum, wie sie zuletzt auf Grund der Covid-19-Pandemie stattfanden, scheint es sich aber genau umgekehrt zu verhalten – zu diesem Ergebnis kamen zwei Wissenschaftler vom Institut für Sportwissenschaften an der Universität Graz. Sie haben die Daten der deutschen Fußballbundesliga, in der 83 Spiele ohne Publikum über die Bühne gingen, genau analysiert und einen vergleichenden Blick nach Österreich geworfen.

Nur ein Viertel der Heimspiele siegreich

Konkret gingen in Deutschland vor dem „Lock-down“ 54 Prozent der Punkte an die Heimmannschaften, bei den „Geisterspielen" waren es nur noch 44 Prozent: „Durch die fehlende Fanunterstützung hat sich der Heimvorteil also nicht nur signifikant verringert, sondern in einen Heimnachteil verwandelt“, fasst Sportwissenschafter Markus Tilp zusammen.

In Österreich, wo die Meisterschaft noch bis zum Wochenende läuft, war dieses Phänomen sogar noch stärker ausgeprägt: In den acht Runden ohne Publikum standen lediglich 25 Prozent Heimsiege 52 Prozent Auswärtssiegen gegenüber; in den eigenen Stadien errangen die Teams gar nur 35 Prozent der Punkte – in der gesamten vorigen Saison waren es noch 54 Prozent.

Schiedsrichter entschieden „neutraler“

Auch die Schiedsrichterentscheidungen wurden durch das fehlende Publikum signifikant beeinflusst. „In den Runden vor dem Lockdown wurden 55 Prozent der gelben und roten Karten an die Auswärtsmannschaft vergeben. Danach verteilten die Referees die Verwarnungen und Ausschlüsse ohne den emotionalen Druck der Fans gleichmäßig auf beide Mannschaften“, so der Sportwissenschaftler dazu.

Unterstützung der Fans als Erfolgsfaktor

Als Hauptgründe für den Heimvorteil gelten die Unterstützung durch die Fans, Vorteile durch die gewohnte Umgebung im Stadion, die Reisestrapazen für die Auswärtsmannschaft sowie eine unbewusste Bevorzugung durch die Schiedsrichter. Warum sich die Punkteverteilung aufgrund der fehlenden Zuschauer zugunsten der Auswärtsteams umgedreht hat, kann dagegen nur vermutet werden.

In der deutschen Bundesliga hatte die Spielstärke laut Tilp keinen Einfluss, denn in den letzten neun Runden sei die Heimmannschaft überdurchschnittlich oft in der Tabelle vor der Gastmannschaft gelegen.

„Gewöhnungseffekt“ bemerkbar

„Wir glauben, dass die Gastmannschaften mit größerem Selbstbewusstsein zu den Auswärtsspielen angetreten sind, da sie um den fehlenden Heimvorteil der gegnerischen Teams wussten“, vermutet Studien-Co-Autorin Sigrid Thaller. Die beiden Grazer Wissenschaftler beobachteten in Deutschland aber auch einen gewissen Gewöhnungseffekt im Laufe der Zeit: So war der Heimnachteil in den ersten Geisterspielen besonders groß, sodass die Auswärtsmannschaften bis zu 80 Prozent aller Zähler erreichten – in den letzten drei Runden war die Punkteverteilung wieder ausgeglichener.