Eine Betreuerin in einem Pflegeheim hilft einer Bewohnerin
ORF.at/Christian Öser
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Coronavirus

Schwere Vorwürfe gegen Grazer Pflegeheim

Die Angehörigen einer Pflegeheim-Bewohnerin, die an Covid-19 gestorben ist, wollen Anzeige gegen das betroffene Grazer Pflegeheim erstatten. Sie seien über CoV-Fälle im Haus nicht informiert worden, so der Vorwurf.

Insgesamt gab es im betroffenen Grazer Heim, das rund 80 Bewohner beherbergt, 16 Infektionen und zwei Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus. Die Kritik der Angehörigen betrifft daher weniger Fehler in der Pflege, sondern vielmehr, dass sie nicht informiert worden seien, als es Covid-19-Fälle in dem Heim gab, berichtet Ö1 am Mittwoch im Morgenjournal.

Tochter: „Hätten sie heimgeholt“

Konkret geht es um eine 81-jährige Bewohnerin, die am 9. April positiv auf das Coronavirus getestet wurde – zehn Tage später starb die Frau im Spital. Wie sie sich infiziert hatte und wann der erste Covid-19-Fall im Heim der Geriatrischen Gesundheitszentren Graz aufgefallen war, weiß ihre Tochter bis dato allerdings nicht. „Wenn wir gewusst hätten, dass es Fälle gibt im Heim, zu einem frühen Zeitpunkt, dann hätten wir sie heimgeholt und geschaut, dass wir sie häuslich betreuen – auch mit dem Risiko, dass sie zu Hause auch angesteckt wird. Es war ja klar, wenn in anderen Ländern die Krankheit im Heim war, dann hat das für ganz viele Menschen den Tod bedeutet“, so die Frau.

81-Jährige klagte über Atemnot

Wenn sie später von der ersten Infektion im Heim erfahren hätte, hätte sie zumnindest auf einen Test gedrängt, so die Tochter der Verstorbenen weiter: „Meine Mutter war, bevor sie getestet worden ist, schon einige Tage recht krank. Sie hat gesagt, die Brust tut ihr so weh und sie kriegt schlecht Luft.“

„Also wir hätten sicher, wenn wir gewusst hätten, dass es dort Fälle gibt angerufen, dann wären wir dahinter gewesen,“
damit die Großmutter rasch getestet wird, sagt der Enkel.

Heim wollte niemanden verunsichern

Die Pflegeleiterin Waltraud Haas-Wippel argumentiert dagegen, man habe nicht das ganze Heim verunsichern wollen: „Man muss bedenken, dass Information gerade bei älteren Menschen zu Verunsicherung führen kann und zu Ängsten und die Lebensqualität negativ beeinflussen kann. Da haben wir uns entschlossen, einen Mittelweg zu gehen, dass wir die betroffene Wohngemeinschaft, wo eine Covid-Infektion gegeben war, dass wir diese Bewohnerinnnen und Angehörigen informieren.“

Der erste Fall sei erst rund um den 5. April aufgefallen, heißt es. Ein genaues Datum wurde gegenüber dem ORF weder seitens des Heimes, noch der Stadt Graz oder des Landes Steiermark bekannt gegeben – teils unter Berufung auf angeblichen Datenschutz.

Anzeige gegen Pflegeheim geplant

Die Heimleitung sagt, man habe Isoliereinheiten geschaffen, Dienste auf kleine Personengruppen konzentriert und alle Mitarbeiter auf eigene Kosten durchgetestet. Die Familie glaubt trotzdem an eine Infektion durch das Personal. Man habe am Balkon eine Pflegerin ohne Schutzanzug gesehen – mit der bereits infizierten Großmutter. In einem nächsten Schritt will die betroffene Familie nun Anzeige gegen das Grazer Pflegeheim erstatten.

Vorwürfe auch gegen das LKH Graz-West

Kritik der Familie gibt es aber auch am LKH Graz-West: Die Großmutter war im Spital verwirrt, hat sich laut Spitalsunterlagen den Beatmungsschlauch immer wieder aus der Nase entfernt. Trotzdem sei sie alleine im Zimmer gewesen. Unter ständiger Beobachtung hätte man das so wichtige Sauerstoffschläucherl rasch wieder einführen können. Die Tochter sagt über eine Ärztin: „Da hat sie gesagt: Es geht ihr lang nicht so schlecht, dass sie auf die Intensivstation müsste. Und dann war sie einen Tag später tot.“ Von der Krankenanstaltengesellschaft gibt es keine inhaltliche Stellungnahme – unter Berufung auf den Datenschutz.

88 Todesfälle in steirischen Heimen

Insgesamt gab es mit Stand Freitag in 29 von mehr als 200 steirischen Pflegeheimen CoV-Infektionen; 322 Personen wurden in den 29 Heimen infiziert, 88 sind gestorben, 233 sind wieder genesen.