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Nach CoV-Urteilen: Republik drohen Klagen

Nach den Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs zu den CoV-Betretungsverboten könnte die Republik auf Schadenersatz geklagt werden. Ob bereits bezahlte Strafen refundiert werden können, ist unklar.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in einem am Mittwoch veröffentlichten Erkenntnis gleich zwei Verordnungen des Gesundheitsministers in der CoV-Krise nachträglich aufgehoben: Sowohl die Verordnung zu den Betretungsverboten als auch die Verordnung zur Geschäftsöffnung im April sei gesetzwidrig gewesen. Welche Strafen nun aber tatsächlich erlassen werden, ist noch offen; Relevanz könnten die Entscheidungen aber vor allem in der Zukunft bekommen – mehr dazu in Klares Urteil, unklare Folgen und in Betretungsverbote teilweise rechtswidrig (beide news.ORF.at).

Kläger wünscht sich Amnestie

Auch der erst 28-jährige Dominik Prankl setzte sich mit seinem Antrag durch. Der junge Anwalt und Uni-Assistent sei aus Ärger aktiv geworden, dass sich die Regierung und konkret der Gesundheitsminister mit der Covid-19-Verordnung über das Gesetz und die Verfassung hinweggesetzt habe, daher habe er einen 20-seitigen Antrag an den VfGH gestellt.

Jetzt wünscht sich Prankl eine Amnestie, damit auch die profitieren, die ihre Strafen schon bezahlt haben: „Meines Erachtens bräuchte man jedenfalls ein Gesetz, und am leichtesten wäre es wohl mit einer automatischen Rücküberweisung. Ich weiß nicht, ob das bürokratisch wirklich einfach durchführbar ist. Im Notfall müssten sie es halt beantragen, dann muss man es zurücküberwiesen bekommen.“

Rückzahlungen schon bezahlter Strafen habe es seines Wissens in der Form zwar noch nie gegeben, „aber es gab auch so einschneidende Maßnahmen noch nie. Im Endeffekt gab es eine gesetzeswidrige Rechtslage, und da erscheint es mir sehr fair zu sein, wenn man jetzt sagt, naja, wir machen es jetzt nicht davon abhängig, ob sich der Einzelne dagegen zur Wehr gesetzt hat, sondern wir sagen ja, wir refundieren das, denn im Endeffekt war es gesetzwidrig.“

Schützenhöfer: „Kann nicht nach Gutdünken entscheiden“

Rund 400 Strafen wurden in der Steiermark ausgestellt, sagt Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): „Ich bin dafür, dass wir gesetzeskonform handeln. Wir leben in einem Rechtsstaat, aber ich kann jetzt nicht nach meinem Gutdünken entscheiden, ob man zurückzahlt oder nicht. Der Verfassungsgerichtshof hat jetzt aufgehoben, der Bund ist am Zug und muss sagen, was er tut. Alle Juristen, die ich frage, sagen mir, dass diejenigen, die schon bezahlt haben, das nie mehr zurückbekommen könnten, und die, die Einspruch erhoben haben, damit legalisiert sind – ich weiß es nicht, und wir müssen es rechtlich richtig behandeln, aber das ist Sache des Bundes.“

Amtshaftungsklagen: Anwälte sehen realistische Chancen

Auch der Grazer Anwalt Sebastian Cortolezis war beim Verfassungsgerichtshof erfolgreich: Es war rechtswidrig, dass im April zwar Bau- und Gartenmärkten aufsperren durften, nicht aber andere große Handelsbetriebe mit mehr als 400 Quadratmetern Geschäftsfläche. Jetzt werde es wohl Schadenersatzforderungen gegen die Republik geben, sagt Cortolezis im Gespräch mit Ö1: „Davon gehe ich aus, weil ich glaube, dass die Antragsstellung beim Verfassungsgerichtshof für viele Unternehmen auch eine Art Vorbereitungsmaßnahme war, um später ihre wirtschaftlichen Verluste geltend zu machen.“

Und der für andere Firmen erfolgreiche Anwalt Ivo Deskovic von der Kanzlei Taylor-Wessing sieht realistische Chancen für solche Amtshaftungsklagen:„Ich halte das für sehr realistisch. Es ist aber zweifelsohne branchenabhängig, möglicherweise auch standortabhängig, dass man argumentieren kann, dass natürlich ein Geschäft, das 14 Tage nicht offenhalten konnte, auch keine Umsätze gemacht hat, und auf diesen aufbauend kann sich durchaus hier ein Verlust ergeben haben.“

„Deutschland fand fairere Lösung“

Inhaltlich sagt Cortolezis, dass die Verordnung in Deutschland fairer gewesen sei: „Man konnte seine Verkaufsflächen reduzieren und hatte damit die Möglichkeit, sein Geschäft wieder zu eröffnen, und das hat der österreichische Verordnungsgeber nicht gemacht, und das war nicht sachlich gerechtfertigt.“

Die jetzt vorgesehene Vorgangsweise laut Deskovic: „Die Republik Österreich wird in diesem Fall vertreten durch die Finanzprokuratur, an die ein Anspruchsschreiben zu richten ist. Wenn der Anspruch abgelehnt ist, muss man gerichtlich vorgehen. Das heißt, eine Klage beim Zivilgericht einbringen gegen die Republik Österreich.“ Die beiden Anwälte wollen aber nicht sagen, welche Firmen sie vertreten und ob diese konkret Ansprüche stellen werden.

Köstinger verteidigt Vorgehen

Tourismus-Ministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) verteidigte am Donnerstag bei einem Graz-Besuch das damalige Vorgehen der Bundesregierung: Man habe schnell handeln müssen und Unheil von der Bevölkerung abhalten wollen.