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Wirtschaft

360 Kündigungen bei ATB

Beim Elektromotorenerzeuger ATB in Spielberg stehen 360 von rund 400 Mitarbeitern vor der Kündigung – das würde das Ende der Produktion in dem obersteirischen Traditionsunternehmen bedeuten.

Im Werk in Spielberg werden für Haushalts- und Gartengeräte – unter anderem Rasenmäher – hergestellt, man war allerdings zuletzt von coronavirusbedingten Auftragsfällen betroffen.

Laut einer Sprecherin soll die Produktion innerhalb Europas verlagert werden, ob und wann die Maschinen abtransportiert werden sollen, könne noch nicht gesagt werden. In Spielberg verbleiben sollen rund 40 Beschäftigte in Forschung und Entwicklung, Vertrieb und Logistik – dies dürfte wohl das Ende der traditionsreichen Motorenproduktion am Standort seit 1919 sein.

Belegschaft erst am Freitag informiert

Generell habe in der Branche der Margendruck extrem zugenommen, so die Sprecherin. Die wirtschaftlichen Aussichten stellten sich extrem schlecht dar, ebenso schlecht seien die Umsatzrückgänge – dies erfordere eine Neustrukturierung.

Schon seit April war ein Großteil der Belegschaft in Kurzarbeit, nun wurden rund 360 Mitarbeiter beim Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservice (AMS) zur Kündigung angemeldet. Die Belegschaft wurde erst Freitagmittag in einer Betriebsversammlung informiert. Es sollen nun in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat „Lösungsansätze“ für die Mitarbeiter erstellt werden.

In chinesischem Besitz

Die ATB gehört seit Herbst 2011 zu 100 Prozent zur chinesischen Wolong-Gruppe, zuvor war die seit fast 100 Jahren in verschiedenen Formen existierende ATB unter anderem im Besitz von Mirko Kovats und Christian Schmidt. Die ATB hat beispielsweise Werke in Welzheim, Mönchengladbach und Nordenham in Deutschland sowie in den englischen Städten Leeds und Norwich, darüber hinaus im chinesischen Wuhan und Shaoxing; weitere Standorte gibt es etwa im polnischen Tarnow, im holländischen Eindhoven und in Subotica in der zu Serbien gehörenden Vojvodina. Weltweit beschäftigt das Unternehmen rund 3.500 Mitarbeiter.

Kein Zusammenhang mit Corona-Krise

Für den ATB-Betriebsratsvorsitzende, Michael Leitner, haben die Kündigungen nichts mit der Corona-Krise zu tun. Das Unternehmen sei vollkommen überrascht worden und es sei ein richtiger Schock für die Mitarbeiter gewesen, schildert Leitner: „Aufgrund der Tatsache, dass es mit unserer Firmen schon seit 2016 schlecht läuft, haben wir von Seiten des Betriebsrates immer wieder die Probleme und Schwierigkeiten aufgezeigt und Briefe geschrieben, bis hin zum obersten Eigentümer nach China.“

Diese Mitteilungen seien immer ignoriert worden, daher glaube Leitner nicht an Zufall – vielmehr sei dem chinesischen Eigentümer wenig am Standort Spielberg gelegen, so Leitner: „Man könnte jetzt darüber nachdenken, ob das nicht schon Strategie war auf den heutigen Tag hin. Ein Forschungs- und Entwicklungszentrum sollte entstehen, das ist nie gekommen, die Investitionen haben nie stattgefunden.“ Dass die gesamte Produktion geschlossen wird sei ein Wahnsinn, „ein Kahlschlag, das können wir so nicht auf uns sitzen lassen, da müssen wir uns dagegen wehren“, führt Leitner weiter aus.

Unterstützung von Politik und Wirtschaft erhofft

Die Gewerkschaft sichert dem Betriebsrat unterdessen Unterstützung zu und appelliert an die Landespolitik, alles zu tun, um die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten und bei der Suche nach einem neuen Investor aktiv zu werden.

Von den Spitzen der Landesregierung kam Freitagnachmittag die Zusicherung, man werde alles unternehmen, um die Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Auch Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer versprechen in einer gemeinsamen Aussendung mit der Landespolitik, größtmögliche Anstrengung für die Region und ihre Menschen.

Rettung der Arbeitsplätze als oberste Priorität

Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) teilte etwa in einer Aussendung mit, dass man gemeinsam mit den zuständigen Stellen alles dafür tun werde, dass „viele Betroffene schon bald wieder einen neuen Arbeitsplatz finden“. Landeshauptmann-Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) zufolge sei besonders in dieser krisengebeutelten Zeit soziale Verantwortung von besonderer Bedeutung: „Daher appelliere ich an die ‚Wolong-Gruppe‘, sich diese folgenschwere Entscheidung noch einmal zu überlegen. Als Land Steiermark werden wir alle Möglichkeiten prüfen, um den Betroffenen so gut und schnell wie möglich zu helfen“, so Lang.

Auch Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) teilte mit, dass es jetzt die oberste Priorität sei, die Arbeitsplätze in der Region zu erhalten. Dass dieser Job-Abbau auch ein herber Schlag für den Wirtschaftsstandort Spielberg sei, sind sich Wirtschaftslandesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) und Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk einig. Und auch Arbeiterkammer-Präsident Josef Pesserl betonte, dass gemeinsam mit der Gewerkschaft nichts unversucht bleiben werde, um zu unterstützen.