Weinberghüter
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Kultur

Unterwegs mit dem Weinberghüter

Jahrhundertelang waren die südsteirischen Weinberge Sperrgebiet: Niemand durfte während der Reifezeit der Trauben in die Weingärten, die streng bewacht wurden. Ein Steirer lässt als Weinberghüter das alte Brauchtum wieder aufleben.

Wenn man im südsteirischen Weinland durch die Weingärten schlendert, dann ist die Verlockung groß, die eine oder andere Weinbeere vom Weinstock zu stibitzen. Heute ein „Kavaliersdelikt“, anno dazumal jedoch war es besser, sich dabei nicht vom sogenannten Weinberghüter erwischen zu lassen – ein vom 14. Jahrhundert bis Mitte des 20. Jahrhunderts in ganz Europa weit verbreiteter Weinbauberuf, der heute ausgestorben ist.

Weinberghüter
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Fuchs, Rehkrickerl und Pfauenfedern: so sah die Montur des Weinberghüters aus

Albin Sampel entführt im Rahmen von Erlebnis-Führungen in die Zeit von Damals, und das natürlich nicht ohne die richtige Aufmachung: Fuchs, Rehkrickerl und Pfauenfedern – allein das Outfit des Weinberghüters flößt Respekt ein: „Der Weinberghüter war ja jahrhundertelang nicht aus dem Bild der Südsteiermark wegzudenken. Er hat in der Zeit vom 25. Juli bis zum Ende der Lesezeit die Aufgabe gehabt, die Beeren und Trauben zu schützen und dafür auch Polizeihoheit gehabt“, schildert Sampel.

Ein Ohr für einige Trauben

Damals drohten empfindliche Strafen – und das nicht nur Erwachsenen sondern auch Kindern: „Im Paragraph 39 stand etwa, dass auch Kindern, wenn sie beim Traubenessen erwischt werden, das Ohr abgeschnitten werden darf. Das waren richtig strenge Strafen!“, verrät der Experte. Bereits in der Weinbergordnung von 1352 war das Hüterwesen klar geregelt – wobei es eine große Ehre war, wenn man von der Gemeinde zum Weinberghüter auserkoren wurde: eine Funktion, die auch besoldet wurde, je nach nachdem wie viele Trauben man vor Diebstahl retten konnte.

Als „Weinbergmonster“ unterwegs

„Wenn man so in der Dämmerung mit dieser Kostümierung auftritt, konnte man manchen schon einen Schrecken einjagen. So sind die Weinhüter im Laufe der Zeit auch als Alpenindianer, als Weinbergmonster bezeichnet worden – und haben eine mystische Stellung bekommen“, so Sampel.

Klapotetz
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Der Weinberghüter ist verschwunden – geblieben ist der Klapotetz

Mit dem Aufkommen des Wohlstandes in der Bevölkerung nahmen auch Traubendiebstähle ab und der Wächter-Beruf verschwand, übrig blieb sein Hilfsmittel: der Klapotetz. Heute führen sogar Wanderwege durch die südsteirischen Weingärten, wie zum Beispiel am Weingut Gründl vulgo Stefflbauer in Grubtal bei Gamlitz. Mit heimlichen Trauben-Naschern geht man dementsprechend milde um, verrät Weinbauer Martin Gründl: „Wenn ich die Gäste im Weingarten sehe, mit ihnen ins Gespräch komme, ist das eher ein Zusammenkommen, kein Stören.“

Weinführungen in die Vergangenheit

Einst jedoch galt es für Diebe, besser nicht im Weinbergschneckentempo vor dem Wächter zu fliehen. Entwischte ein Dieb, so rief der Weinberghüter mit seinem Horn den Nachbarweinbergwächter zu Hilfe – nur eine von zahlreichen überlieferten Geschichten, die der Steirer Albin Sampel in Erlebnis-Wein-Führungen zu erzählen weiß, um an das alte Brauchtum zu erinnern – und das Leben des Weinberghüters revue passieren zu lassen.