MED Campus Graz
Med Uni Graz /Monika Schloffer
Med Uni Graz /Monika Schloffer
Coronavirus

Mehr tödliche Herzinfarkte während CoV-Lockdowns

Vor allem ältere Personen haben im Frühjahr während des Lockdowns Spitäler gemieden. Das dürfte der Grund dafür sein, dass es in dieser Zeit um 80 Prozent mehr Todesfälle nach Herzinfarkten in der Steiermark gab, wie eine Studie der Med Uni Graz belegt.

Die Forscher an der Kardiologie der Medizinischen Universität Graz haben die Zahlen der Patienten mit Herzinfarkt, Lungenembolie und Aortenriss während der sechs Wochen des Lockdowns in den Spitälern der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft (KAGes) ausgewertet. Rund 3.600 Patienten wurden aus diesen drei Gründen eingeliefert.

Deutlich mehr Todesfälle durch Herzinfarkte

Verglichen mit den vier Jahren davor zeigt sich laut Kostudienautor Heiko Bugger, dass in dieser Zeit um 23 Prozent weniger Patienten in den Krankenhäusern der KAGes ankamen. Verschiedene Studien hätten bereits gezeigt, dass die Anzahl der Patienten in der Zeit des Lockdowns gesunken ist.

Neu ist das zweite Ergebnis der Med-Uni-Studie, erklärte Kardiologe Bugger: „Obwohl weniger Patienten eingeliefert wurden, sind um 65 Prozent mehr Patienten innerhalb von 14 Tagen an diesen Erkrankungen gestorben.“ Dieser Anstieg lasse sich fast ausschließlich auf zusätzliche Todesfälle durch Herzinfarkt zurückführen. Hier habe sich laut Bugger sogar eine Zunahme um rund 80 Prozent gezeigt.

Weniger Patienten in den Spitälern

Wegen Herzinfarktverdachts wurden in der Zeit des Lockdowns 148 Personen eingeliefert – deutlich weniger als im Schnitt des Vergleichszeitraums der vier Jahre davor, da waren es rund 190 Patienten. Aber an Herzinfarkt verstorben sind während des Lockdowns im Spital 16 Personen, um vier bis fünf Personen mehr als in den Jahren davor. Nicht eingerechnet sind laut Bugger Personen, die es gar nicht mehr ins Spital schafften.

Scheu vor Arztbesuch besteht weiterhin

Der Kardiologe geht davon aus, dass es auch nach den Ausgangssperren eine Scheu gab, sich ins Spital zu begeben – selbst bei Infarktsymptomen: „Es ist davon auszugehen, dass weiterhin eine erhöhte Sterblichkeit vorliegen könnte, da nach wie vor weniger Patienten zum Arzt gehen. Höchstwahrscheinlich gilt das auch für Patienten, die sich sonst an die Rettung wenden und dann eingeliefert werden oder eben nicht.“ Die Studienautoren führen diesen Anstieg auf das Pflichtbewusstsein gerade älterer Personen zurück, die dem Aufruf, nur in Notfällen ins Krankenhaus zu kommen, nachkamen. Auch die Angst vor einer möglichen Ansteckung im Krankenhaus habe wohl bei einigen Patienten mitgespielt.

Patienten kamen später in die Spitäler

Dass der Anstieg bei Herzinfarkttodesfällen gleich 80 Prozent betragen hat, bezweifelt der gewählte Präsident der Gesellschaft für Kardiologie, Bernhard Metzler. Aber einen Anstieg habe es wohl österreichweit und weltweit gegeben während der Lockdowns. Den Hinweis darauf habe auch eine zweite, in Österreich noch wenig bekannte österreichweite Studie unter Innsbrucker Federführung ergeben, die im Juli publiziert wurde.

Bei dieser Studie ging es um den Zeitpunkt der Aufnahme von Patienten im Spital, schilderte Metzler: „Wir konnten zeigen, dass in dieser Lockdown-Phase die Herzinfarkte verspätet gekommen sind. Wir haben eine österreichweite Analyse gemacht und gesehen, dass hier die zeitliche Verzögerung ungefähr eine Stunde betragen hat.“

Krankheiten neben Covid-19 nicht vernachlässigen

Die Ursache sei in erster Linie bei den Patienten selbst zu sehen gewesen und weniger darin, dass die Rettung Coronavirus-Vorsichtsmaßnahmen einhalten musste und es dadurch zu Verzögerungen gekommen wäre, meinte Metzler: „Viele Patienten fahren ja selber zum Doktor oder ins Krankenhaus. Vielleicht haben sie den Herzinfarktschmerz zuerst einer Lungenentzündung zugeschrieben, oder sie hatten Angst, sich in der Lockdown-Phase anzustecken. Bei einem Herzinfarkt zählt aber jede Minute.“

„Bei so geringen Fallzahlen lässt sich nicht genau sagen, wie groß der Anstieg tatsächlich war. Aber es dürfte einen Anstieg gegeben haben“, sagte Florian Stigler, Koordinator des österreichweiten Public Health Forums. Stigler gehe aber nicht davon aus, dass der Anstieg tatsächlich 80 Prozent ausgemacht habe. Für eventuelle künftige Coronavirus-Lockdowns müsse man aber lernen, sagten die Experten. Man dürfe andere Krankheiten nicht vernachlässigen.