Arzt untersucht Patientin
APA/Helmut Fohringer
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Coronavirus

Experten raten: Arztbesuche wahrnehmen

Seit Beginn des zweiten Lockdowns gehen wieder weniger Menschen zum Arzt. Laut steirischer Ärztekammer seien allerdings die Folgen noch aus dem ersten Lockdown schwerwiegend – sie appelliert, Arztbesuche auf keinen Fall aufzuschieben.

Um gesundheitliche Kollateralschäden durch den neuerlichen Lockdown zu verhindern, raten Ärzte und Experten dringend dazu, Arzttermine weiterhin wahrzunehmen. Aus dem ersten Lockdown im Frühjahr wisse man mittlerweile – durch Studien bestätigt –, dass die Schäden durch abgesagte Arzttermine und Kontrolluntersuchungen teilweise groß sind.

Menschen sind durch Lockdown-Vorgaben verwirrt

Genaue Zahlen, in wie weit sich dieser zweite aktuelle Lockdown auf die Arztbesuche der Steirer auswirke, werden derzeit erhoben, heißt es von der Ärztekammer – im Gegensatz zum ersten Lockdown im Frühling gelten die Ausgangbeschränkungen jetzt aber nicht tagsüber. Dass die Bundesregierung aber immer nur von vier Gründen spricht, außer Haus zu gehen und den Schutz der eigenen Gesundheit nicht erwähnt, verwirre die Menschen, sagt auch der Grazer Public Health-Experte Christoph Pammer.

Anzeichen ernst nehmen – Arzt trotz Lockdown aufsuchen

Die Folgen noch aus dem ersten Lockdown seien schwerwiegend: Man wisse, dass im April etwa bei Frauen um die Hälfte weniger Brustkrebs diagnostiziert wurde. „Das sind Diagnosen, die dann erst später, zu einem Zeitpunkt, wo das Krebsgeschwür schon größer ist, gemacht werden können. Das könne zu früheren Todesfällen führen“, sagt Pammer.

Man habe in der Steiermark festgestellt, dass aus dem selben Grund auch 80 Prozent mehr Todesfälle durch Herzinfarkte passieren – die frühen Anzeichen würden nicht ernst genug genommen, um zum Arzt zu gehen.

„CoV-Todesfälle vermeiden, aber andere provozieren?“

Die gravierenden Folgen der Lockdown-Maßnahmen seien bereits auch in anderen Ländern in Studien festgehalten, so Pammer: „Das sind eigentlich nur Spotlights, und die zeigen in die Richtung, dass man durch die Maßnahmen zwar Todesfälle mit dem Coronavirus verhindern kann, aber gleichzeitig in Kauf nehmen muss, dass viel mehr Menschen sterben, weil sie nicht zum Arzt gehen.“

Kritik übt Christoph Pammer am Management der Pandemie: Habe Österreich am Beginn eine Vorreiterrolle eingenommen, sei man jetzt im europäischen Mittelfeld anzutreffen, so der Public Health-Experte. Allgemeinmediziner seien erst jetzt in Teststrategien eingebunden worden; außerdem hätte man im Frühjahr und Sommer die Gesundheitsämter besser aufrüsten können, damit sie das Contact-Tracing besser durchführen können. Jetzt, inmitten der zweiten Welle, müsse man sich hingegen eingestehen, dass man zu wenig oder zu schlecht ausgebildetes Personal und zu wenig Ressourcen dafür habe. Pammer vermisst hier ein „kluges Management“ und vermutet die hohen Zahlen der CoV-Infektionen auch dahinter.

Indirekte Folgen, wie etwa die gesundheitliche Belastung durch steigende Arbeitslosigkeit, seien ebenfalls bereits deutlich erkennbar – deren Auswirkungen würden sich aber erst später zeigen, kritisiert der Experte.