Wissenschaft

Leobener Forscher fanden „Alu fürs All“

Die Raumfahrt stellt besondere Ansprüche an die eingesetzten Materialien, denn die extreme Teilchenstrahlung der Sonne wirkt zerstörerisch. Forscher der Montanuni Leoben haben nun eine Legierung entdeckt, die der enormen Belastung standhält.

In Sonnennähe sind die Anforderungen an Raumfahrtmaterialien hoch: Sonneneruptionen können selbst auf der Erde durch Teilchenstrahlung Schäden anrichten. Deshalb stellt die Luft- und Raumfahrtbranche besondere Ansprüche an die eingesetzten Materialien. Um die Eigenschaften von Werkstoffen, die höchsten Belastungen standhalten sollen, zu verbessern, müssen daher die materialphysikalischen Vorgänge und deren Auswirkung auf die Mikrostruktur verstanden werden.

Aluminium ideal, aber zu weich

Aufgrund der extremen Herausforderungen wird in der Weltraumtechnik oft Metall als Strukturwerkstoff verwendet. Leichte Materialien – wie Legierungen auf Aluminiumbasis – sind wiederum erforderlich, um das Nutzlastgewicht und andere mit dem Start und dem gesamten Raumfahrtprogramm selbst verbundene Kosten zu reduzieren. „Aluminium ist wegen seiner Leichtigkeit ideal, jedoch zeigen die heutigen Legierungen bei Einwirkung energiereicher Strahlung durch die Auflösung der Härtungsphasen eine unerwünschte Erweichung. Diesem Problem haben wir uns angenommen“, berichtet Stefan Pogatscher vom Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie der Montanuniversität Leoben.

An hochauflösenden Transmissionselektronenmikroskopen kann der Wissenschaftler die kinetischen Bedingungen innerhalb der metallischen Materialien beim Erstarren und Abkühlen beobachten. So kann etwa die Interaktion zwischen kristallographischen Defekten (Korngrenzen, Ausscheidungen, Versetzungen, usw.) beim Übergang zwischen bestimmten Aggregatzuständen bestmöglich untersucht werden. Diese Interaktion bestimmt weitgehend das Materialverhalten während der Herstellung sowie im Einsatz.

Widersteht der Teilchenstrahlung

Zuletzt hat Pogatscher mit seinen Kollegen eine Aushärtungsphase entdeckt, die sich bei Beschuss mit Teilchenstrahlung nicht auflöst. Sie untersuchten das Verhalten einer neuen Aluminium-Magnesium-Zink-Legierung, die sich bisher für Anwendungen in der Automobilindustrie bewährt hat. Das Legierungsdesign basiert auf dem sogenannten Crossover-Prinzip, das darin besteht, die wichtigsten vorteilhaften Eigenschaften zweier oder mehrerer unterschiedlicher Legierungsklassen auf Aluminiumbasis zu nutzen, was zu endgültigen Legierungen mit einer überlegenen Mischung von Eigenschaften führt.

Im Labor setzten sie das Material einer extremen Teilchenstrahlung aus. Die Härtungsphase während der Abkühlung überlebte zum Erstaunen der Forscher die extremsten Bestrahlungsbedingungen, die mittels Ionenbeschleuniger in einem Elektronenmikroskop nachgestellt wurden.

Enorme Strahlungstoleranz

„Wir vermuten, dass der hohe Phasenanteil und die Komplexität der Phase – sie hat 162 Atome in ihrem kleinsten Baustein – die Ursachen für diese außergewöhnliche Eigenschaft sind“, erklärt Matheus A. Tunes, Experte für die Beobachtung von Strahlenschäden in Materialien an der Montanuniversität. Die genauen Mechanismen hinter ihrer hohen Strahlungsbeständigkeit sind noch nicht geklärt und zusätzliche Untersuchungen erforderlich.

Aufbauend auf dieser Beobachtung zeigten die Leobener Materialwissenschafter neue Wege für das Design von Legierungen für die Weltraumforschung auf. Betont wurde, dass bei den jüngsten Versuchen ausschließlich das Verhalten der Crossover-AlMgZn-Legierung bei Strahlungseinwirkung untersucht wurde, weitere Beständigkeitstests gegen mehrere in Synergie arbeitende Abbau-Mechanismen stünden noch aus.