„Wie wir leben wollen“ – das Motto des Grazer Kulturjahres 2020
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Grazer Kulturjahr läuft im neuen Jahr weiter

Bedingt durch das Coronavirus konnte das Grazer Kulturjahr heuer nie richtig anlaufen. Dutzende Projekte werden daher auf das nächste Jahr verschoben, das Festival selbst wird bis September 2021 verlängert.

Im Jahr 2020 sollte Graz kulturell ganz im Zeichen der urbanen Zukunft stehen und ein Zentrum der Beschäftigung mit Fragestellungen der Gegenwart und zur Zukunft der Städte sein. Zur Realisierung von 94 Projekten aus Kunst und Wissenschaft hatte die Stadt rund fünf Millionen Euro Fördergeld investiert.

Virus bremste 630 Veranstaltungen aus

Viele Programmpunkte zum Thema „Wie wir leben wollen“ sollten sich über einen Zeitraum von mehreren Wochen und Monaten erstrecken, doch der Ausbruch der Pandemie brachte das Festival vorzeitig zum Stillstand gebracht: „Covid-19 hat uns von April bis Juni 630 Veranstaltungen ausgebremst, 75 Prozent mussten neu geplant werden“, schilderte Programmmanager Christian Mayer. In den vier Sommermonaten waren Veranstaltungen zwar möglich, aber nur unter Einschränkungen.

Sommerprogramm bei freiem Eintritt

Immerhin 740 Einzelveranstaltungen gingen über die Bühne: „The Graz Vigil“ – individuell geführte Morgen- und Abendwachen über den Dächern von Graz vom Schloßberg aus – schaltete zwischenzeitlich auf die digitale Quarantäneversion um, die man von zu Hause aus mitverfolgen konnte. Projekte wie „Der Grazer Kunstverein zieht um!“, „Grazer Soundscapes“ oder die „Bürger*innenkonvente“ wurden ebenso in den virtuellen Raum verlegt.

Das Klangforum Wien spielte dutzende Hinterhof-Open-Air-Konzerte und Bill Fontanas Klanginstallation „Sonic Projections“ veränderte den Stadtraum akustisch. In der neu gestalteten Augartenbucht konnte man die spektakuläre Hydrowand von Markus Wilfling und Rainer Prohaskas Murfähre erleben. „Die meisten Veranstaltungen waren bei freiem Eintritt“, blickte Mayer zurück.

Rund 70 Projekte im neuen Jahr zu sehen

Nun neigt sich zwar das Kalenderjahr dem Ende zu, nicht aber auch das Grazer Kulturjahr 2020, versichert Kulturstadtrat Riegler: „Es ist uns gelungen, wichtige Projekte ins nächste Jahr zu ziehen.“ Das Festival wurde bis September 2021 verlängert, insgesamt werden noch rund 70 Projekte zu sehen sein – 36 davon starten im nächsten Jahr völlig neu durch.

Im GrazMuseum wird es etwa im Frühjahr die Ausstellung „Die Stadt als Datenfeld“ geben, die das Leben in der post-digitalen Stadt thematisiert. Auch das künstlerische Experiment mit zwei tanzenden Robotern – „Nessun Dorma“ – wird sich der Frage zuwenden, wie künstliche Intelligenz die Arbeits- und Alltagswelt, aber auch das künstlerische Schaffen selbst verändern wird. Eine rund 100 Quadratmeter große Waldoase mitten in der Innenstadt – der Klima-Kultur-Pavillon des Breathe Earth Collective – wird Passanten zum Abkühlen und Verweilen und zum Nachdenken über Umwelt und Klima einladen.

Premiere für das „Häfntheater“

Im neuen Jahr Premiere feiern wird auch das „Häfntheater“ – mit Insassen der Justizanstalt Graz-Karlau und „unzähligen nicht erzählten Geschichten“. Für die künstlerische Leitung zeichnet die Theaterpädagogin Julia Gratzer verantwortlich, die Projektleitung hat Josef Riedl, Seelsorger der Justizanstalt, inne. Gemeinsam mit den Häftlingen wollen sie ein Theaterstück, das Literatur, Theater und das reale Leben durchmischt, erarbeiten, das in der Justizanstalt selbst aufgeführt werden soll.

Als literarische Grundlage dient Nestroys „Lumpazivagabundus“. Sechs Monate lang wollte man wöchentlich miteinander arbeiten, im Februar 2020 hätte die Premiere stattfinden sollen, jetzt ist man froh, wenn die Aufführung bis zum Sommerende überhaupt realisiert werden kann. „Die Truppe haben wir jedenfalls schnell zusammengehabt, das war überhaupt kein Problem. Jetzt scheuen wir, wie es weitergeht“, sagte Seelsorger Riedl.