Chronik

Als Pflegekind missbraucht: Klage abgewiesen

Der Fall eines ehemaligen Pflegekindes, das in den 70er-Jahren bei einer Kindsmörderin untergebracht war, hat vor Jahren für Schlagzeilen gesorgt. Der heute 54-Jährige klagte das Land auf 600.000 Euro Entschädigung – nun muss aber der Betroffene zahlen.

In ihrem schriftlichen Urteil schreibt die zuständige Grazer Richterin zwar, dass die Aussagen des ehemaligen Pflegekindes Walfried Janka in weiten Teilen glaubwürdig und nachvollziehbar waren, das Gericht hat aber nicht geprüft, ob der heute 54-Jährige als Pflegekind unter Verantwortung des Jugendamts misshandelt wurde, sondern nur, ob der Fall verjährt ist.

Gericht: Fall verjährt

Da lautet das Urteil wörtlich: „Ab 1987, mit 21 Jahren also schon, war er mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage, zu verstehen, dass er für etwas, was ihm in seiner Kindheit und Jugend widerfahren ist, Ansprüche geltend machen könnte. Mit 21 habe er schon eine Stunde lang in seinem Jugendamtsakt lesen können – auch dass die Pflegemutter, bei der er mit Wissen des Jugendamts untergebracht war, wegen Mordes an einem Neugeborenen verurteilt war.“

„Hätte jemanden gebraucht, der mich an der Hand führt“

Janka will berufen und argumentiert: „Man hat natürlich Kenntnisse, man bekommt ja diese Schläge mit. Dass ich aber gewusst habe, 1987, dass sie eine Kindsmörderin ist, und das habe ich auch dem Gericht erklärt, das war nur eine Annahme von mir, ich wusste keine Details, was in dem Akt steht, und ich war unfähig, irgendwelche Handlungen zu tätigen, wenn man keine Bildung hat. Es war unmöglich, da ein Gericht einzuschalten – ich hätte jemanden gebraucht, der mich an der Hand führt und sagt, das und das ist zu machen.“

Aufgrund der Misshandlungen – die Pflegemutter habe ihm etwa mit einer rostigen Zange die Milchzähne gezogen – sei er psychiatriert worden, habe kaum Schulbildung genossen und habe sich überhaupt erst mit 21 im Gefängnis Lesen und Schreiben beigebracht. Im Gefängnis saß er mehrere Jahre wegen eines Tötungsdeliktes – der 54-Jährige spricht heute von einer menschenunwürdigen Tat, die er zutiefst bereut habe, die er aber auch im Zusammenhang mit seiner Kindheit sieht.

Anwaltskosten zu bezahlen

Laut dem aktuellen Urteil hätte Janka, wenn nicht mit 21, dann spätestens nach seiner Haftentlassung mit 36 Jahren bewusst werden können, dass er Schadenersatz vom für die Jugendämter zuständigen Land Steiermark fordern könnte – die Verjährungsfrist von zehn Jahren sei seither längst verstrichen, die eingeklagten 600.000 Euro bekommt der 54-Jährige vorerst also nicht.

Er bekam vom Land lediglich 20.000 Euro als freiwillige Zahlung, aber „die kann ich jetzt natürlich wieder zurückgeben, weil ich muss den Rechtsanwalt bezahlen mit diesen 20.000 Euro. Die muss ich in 14 Tagen bezahlen.“ Das Gericht entschied, dass er die Kosten für den gegnerischen Anwalt zahlen muss.

Janka sammelt nun Spenden, um beim Oberlandesgericht Berufung einlegen zu können, und er will, wenn nötig, bis zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen. Der Anwalt des Landes gab Ö1 kein Interview – es handle sich um ein laufendes Verfahren.

Grüne fordern gesetzlichen Verjährungsverzicht

Unterdessen fordern die Grünen, eine gesetzliche Grundlage für einen Verjährungsverzicht des Landes zu schaffen, damit Schadenersatzansprüche für Opfer von Gewalt oder Missbrauch in Betreuungseinrichtungen des Landes oder bei Pflegefamilien, die der Fürsorge- oder Aufsichtspflicht des Landes unterlegen sind, nicht verjähren.

Janka muss nun auch die Anwaltskosten des Landes übernehmen – hier appelliert die Grüne Landtagsabgeordnete Veronika Nitsche „für eine menschliche Lösung": „Es kann doch nicht sein, dass Janka seine Entschädigung, die er vom Land erhalten hat, nun komplett für die Anwaltskosten des Landes ausgeben muss.“