Ärze auf einer Intensivstation
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Coronavirus

Immer mehr Pflegekräfte denken ans Aufhören

Die CoV-Pandemie bringt auch die unermüdlichsten Pflegekräfte an ihre Grenzen: Laut einer Umfrage denkt schon ein Fünftel darüber nach, aus dem Pflegeberuf auszusteigen. Experten fordern nun einmal mehr die Politik zum Handeln auf.

Etwa 25.600 Pflegekräfte gibt es laut Arbeiterkammer insgesamt in der Steiermark, auf den Intensivstationen der steirischen KAGes-Spitäler sind knapp 1.050 speziell ausgebildete Pflegekräfte beschäftigt.

„Eine ständige Anspannung“

Viele von ihnen seien erschöpft und zum Teil auch traumatisiert, beschreibt Marianne Raiger, steirische Landesvorsitzende des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes den Zustand: „So wie wir das jetzt in der letzten Zeit sehen, gibt es keine Unterbrechung zum Durchatmen, es ist eine ständige Anspannung, es geht eigentlich seit einem Jahr durch.“

Überdurchschnittlich lange Dienste oder das ständige Tragen von Schutzausrüstung sind laut einer Umfrage der Arbeiterkammer Steiermark nur einige der Stressfaktoren. Die Pflegekräfte bräuchten in vielen Fällen selbst Betreuung, etwa durch mentales Coaching oder Supervisionen – da gebe es aber so gut wie kein Angebot, kritisiert Raiger.

Zu wenige Ausbildungsplätze

Der Personalmangel in der Pflege wird durch die CoV-Krise noch deutlicher. Das Problem ist laut Raiger aber gar nicht immer ein mangelndes Interesse am Pflegeberuf: Es gebe schlicht zu wenig Ausbildungsplätze etwa für diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal.

„Wir haben die Jahre davor um die 500 bis 600 diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen ausgebildet, durch die Umstellung auf der FH ist ein Endausbau von 260 Ausbildungsplätzen geplant. Hier liegt es an der Politik, die Ausbildungsplätze auf mindestens 300 bis 350 zu erhöhen“, und auch das wäre noch zu wenig, so Raiger. Im Vorjahr standen an der Fachhochschule Joanneum 144 Ausbildungsplätze zur Verfügung – für mehr als 400 Bewerber.

Problem könnte noch größer werden

Es brauche aber nicht nur mehr Ausbildungsplätze, sondern auch mehr Anreize für die Ausbildung, sagt Marianne Raiger: Ein Blick in die Zukunft zeige, wie massiv das Problem noch werden wird. 30 Prozent der jetzt rund 25.600 Pflegekräfte in der Steiermark fallen in den nächsten zehn Jahren altersbedingt weg, bis 2030 rechnen Experten mit einem Bedarf von rund 15.000 zusätzlichen Pflegekräften.

Personalmangel in der Pflege Thema im Landtag

Die steirischen Grünen reagierten am Freitag in einer Aussendung auf die ORF-Berichterstattung über den massiven Personalmangel im Pflegebereich. Die Klubobfrau der Grünen im Landtag, Sandra Krautwaschl, kündigte an, zwei umfangreiche Anfragen an die zuständigen Landesrätinnen Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) und Doris Kampus (SPÖ) zu richten.

In 24 bzw. 19 Fragen will Krautwaschl unter anderem erfahren, wie viele Pflege- und Sozialbetreuungs-Ausbildungsplätze seit 2019 wegfielen und ob Maßnahmen gesetzt werden, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Der schon zuvor chronische Personalmangel habe in den vergangenen Monaten dramatische Auswirkungen gezeigt und auch der breiten Öffentlichkeit die großen Schwierigkeiten, vor denen das Pflegesystem steht, vor Augen geführt, sagte Krautwaschl – sie ortete am Freitag „massiven Handlungsbedarf“.

Trägervereine werben verstärkt im Ausland um Personal

Auch die KPÖ forderte am Freitag in einer Aussendung, den Pflegeberuf attraktiver zu gestalten: „Wir brauchen dringend entsprechend sehr gut bezahltes Pflegepersonal, welchem ausreichend lange Zeit für Erholung und Regeneration geboten wird“, so KPÖ-Gesundheitssprecherin Elke Heinrichs. Weil immer mehr Menschen aus dem Pflegeberuf aussteigen, würden private Trägervereine immer stärker die Strategie verfolgen, Personal aus Kroatien, Marokko oder Indien anzuwerben, so die KPÖ. Sie forderte am Freitag mehr Anreize für die Ausbildung. Während für Ausbildungen im Pflegebereich in der Bundeshauptstadt Wien zum AMS-Geld zusätzlich 400 Euro monatlich bezahlt werden, würde man in der Steiermark einmalig nur bis zu 2.500 Euro erhalten, kritisierte Heinrichs. Sie sieht es als dringend notwendig, diese Unterstützung anzuheben.