Landesgericht Graz, Akten
APA/Erwin Scheriau
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Chronik

Defekte Spiralen: Erster Prozess in Fürstenfeld

Am Dienstag startet der erste Prozess rund um defekte Verhütungsspiralen des spanischen Herstellers Eurogine am Bezirksgericht Fürstenfeld. Eine Steirerin hatte geklagt. Insgesamt haben sich der Sammelklage des Verbraucherschutzvereins (VSV) 750 Frauen aus ganz Österreich angeschlossen.

Bei den Spiralen war es in den vergangenen Jahren zu Brüchen gekommen. Aufgrund der Komplikationen mussten diese Bruchstücke bei manchen Frauen operativ entfernt werden, Schmerzen und Mehrkosten waren die Folge, in einigen Fällen kam es auch zu ungewollten Schwangerschaften.

Prozessauftakt mit steirischer Klägerin

Der erste Prozess betrifft nun eine Oststeirerin, die geklagt hat, weil sie offenbar eine der besagten Verhütungsmittel von Eurogine in sich trug. Eurogine fordert hingegen einen Nachweis, dass die klagende Frau überhaupt eines ihrer Produkte verwendet hat und aus welcher Charge dieses gewesen sein soll. Es sei weder die vermeintlich fehlerhafte Spirale noch eine Chargennummer übermittelt worden.

Hersteller und Behörden hätten zu spät gewarnt

Konkret bringen die Kläger vor, dass Eurogine ab Februar 2018 von Defekten wusste, aber die Frauen nicht ausreichend davor gewarnt haben soll. „Hätte die beklagte Partei schon im Frühjahr 2018 die Gynäkologen, die Anwenderinnen und die Öffentlichkeit informiert, so hätten zahlreiche Schäden vermieden werden können. Selbst nach dem Frühjahr 2018 wurden weiter Spiralen der betroffenen Charge bei unwissenden Anwenderinnen von unwissenden Ärzten eingelegt. Damit hat die beklagte Partei selbst verschuldet, dass sich der (potenzielle) Geschädigtenkreis wesentlich erhöhte“, begründen die Kläger.

Rückrufe durch Veröffentlichungen etwa in Zeitungen oder als sogenannte Rote-Hand-Briefe seien notwendig gewesen, doch das Unternehmen habe nicht alles unternommen, um Anwenderinnen zu schützen – im Gegenteil: Eurogine habe sich der Verantwortung entziehen wollen, so der Vorwurf.

Firma nimmt auch Ärzte in die Pflicht

Die Firma dagegen wies bisher die Schuld von sich und ist der Meinung, dass die Distributoren der Spiralen sowie die nationalen Behörden, die sehr wohl informiert worden seien, die Ärzte und Anwenderinnen hätten warnen sollen. Eurogine seien weder die Ärzte, die das Produkt eingesetzt haben, noch die betroffenen Frauen bekannt gewesen.

Auch Republik Österreich muss sich verantworten

Neben den Klagen gegen den Hersteller muss sich auch die Republik Österreich auf dem Wege einer Amtshaftungsklage verantworten. Die Bundesagentur für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) habe nämlich fast zwei Jahre gebraucht, bis sie – nach Verständigung durch den Hersteller im Jahr 2018 – erst im Herbst 2020 erstmals auf ihrer Webseite vor den Materialfehlern gewarnt hätten. Zuvor hielt man laut VSV Rückrufe des Herstellers selbst für ausreichend.

Laut Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) soll bald auch an drei weiteren Gerichten verhandelt werden und zwar in Wiener Neustadt, Gänserndorf und Zell am See. Denn insgesamt 750 Frauen in Österreich haben sich der Sammelklage angeschlossen.