OP im Krankenhaus Speising
ORF.at/Birgit Hajek
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Chronik

Gefälschte OP-Protokolle: Chirurg vor Job in Graz

Am Wiener AKH ist einem renommierten Chirurgen vor drei Jahren vorgeworfen worden, dass mehr als 100 OP-Protokolle verfälscht waren. Strafrechtlich ist die Sache mittlerweile erledigt – nun aber bewarb sich der Arzt als Chef-Chirurg in Graz.

Dass der Professor in Protokollen als Operateur eingetragen war, aber nicht operiert hat, ist ein Aspekt – der andere, dass er Patientinnen im Glauben gelassen hat, er – der „Kapazunder“ – hätte sie operiert.

Ingrid Wagner, die aggressiven Brustkrebs hatte, erzählt: „Der Scherz am Rande war, dass er gesagt hat, er ist am Vortag noch in der Schweiz. Aber nur wenn das Flugzeug abstürzt, wäre das ein Grund, dass er mich nicht selber operiert.“ Bei der Nachkontrolle in seiner Privatordination habe der Professor auf Nachfrage verärgert betont, dass natürlich er operiert habe und habe das OP-Protokoll hergezeigt.

Auch die Brustkrebs-Patientin Iris Füllenhals hat den Professor unmittelbar vor oder nach der Operation nicht wahrgenommen – erst wieder bei der Nachkontrolle in der Privatordination: „Er hat sich dann meine Brust angeschaut und hat gesagt: Na, da habe ich aber wieder sehr gut gearbeitet, weil man die Narbe nicht gesehen hat.“

MedUni Wien: Keine Patientenkontakte mehr

Laut MedUni Wien war der Chirurg in mehr als 100 Fällen – offenbar systematisch – als Operateur eingetragen, ohne operiert zu haben. Die MedUni einigte sich schließlich mit ihm, dass er am AKH eine Forschungsprofessur, aber keinen Patientenkontakt mehr hat.

„Alle Verfahren eingestellt“

Jetzt bewarb sich der Arzt an der Med Uni Graz für den wichtigen Chefposten an der Allgemeinen Chirurgie – samt Operationstätigkeit. Gegenüber Ö1 sagt er, er sei durch die Vorwürfe damals in seiner Existenz gefährdet worden, nun seien alle Verfahren gegen ihn eingestellt – und er formuliert, es tue ihm leid, dass sich andere getäuscht gefühlt haben.

Anwalt: Diversion und Geldbuße

Der Anwalt Timo Gerersdorfer entgegnet, der Chirurg habe vor dem Bezirksgericht im Rahmen einer Diversion die Verantwortung übernommen: „Er hat damit zugegeben, zu den Patientinnen eigentlich die Unwahrheit gesagt zu haben. Und er hat hier eine Geldbuße zu leisten gehabt, 13.000 Euro und auch die Privathonorare an die Patientinnen – ich habe hier vier vertreten – zurückzuzahlen.“

Laut der Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz wird der Professor als ein Favorit für den Grazer Chefposten gehandelt: „Dann müsste vor der Übernahme einer weiteren wichtigen Funktion der Verantwortliche auch öffentlich dazu stehen, dass er Frauen getäuscht hat. Davon habe ich nichts gehört, nur Gerüchte, dass er findet, er wäre im Rahmen einer Intrige hier zu Fall gebracht worden.“

Samonigg: „Öffentliche Desavouierung“

Der Rektor der Med Uni Graz, Hellmut Samonigg, kritisiert, dass diese Vorwürfe zwei Wochen vor einem Hearing in Graz aufkommen, zu dem acht Bewerber geladen sind: „Zum jetzigen Zeitpunkt eine Persönlichkeit herauszugreifen und diese öffentlich zu desavouieren, halte ich für ein höchst bedenkliches Vorgehen.“ Und der Rektor sagt weiter: „Uns liegen keine glaubwürdigen, fundierten Informationen vor, die es rechtlich verunmöglichen, dass er sich für diese Stelle bewirbt.“

Der Chirurg war im Vorjahr übrigens einer der meistzitierten Forscher Österreichs, sagt er. Die Patientinnen Wagner und Füllenhals anerkennen seine wissenschaftlichen Leistungen auch – aber ihr Vertrauen in die Ärzteschaft sei angeknackst.