Energiegewinnung aus Abwasser
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„Mutter Erde“

Gleisdorf setzt auf „Wärme aus dem Klo“

Bei der umweltschonenden Energiegewinnung gehen immer mehr Gemeinden, Betriebe und Privatinitiativen kreative Wege. Die Gemeinde Gleisdorf im Bezirk Weiz will in Zukunft Fernwärme aus Abwasser statt aus fossilen Energieträgern gewinnen.

Es hat die Farbe von Milchkaffee mit schmutzig-weißen Schaumkrönchen und ergießt sich in einem unablässigen Schwall in die einzelnen Becken des Abwasserverbandes Gleisdorf – es ist das, was die Menschen dieser Region den Kanal hinunterspülen.

Klimaneutraler Fernwärmelieferant

Die meisten würden wohl darüber die Nase rümpfen, nicht so ein Team von lokalen Alternativ-Energiespezialisten aus Gleisdorf. „Wir sprechen von einer Energie- und Ressourcendrehscheibe, die hier entsteht“, sagt Joachim Kelz von AEE Intec, dem Institut für nachhaltige Energien. Ein Team von Forschern dieser Einrichtung unter der Leitung von Christian Fink hat ein System entwickelt, das aus der Kläranlage einen klimaneutralen Fernwärmelieferanten macht. „Besonders an diesem Projekt in der Kläranlage Gleisdorf ist, dass wir Ressourcen nutzen, die vorhanden, aber bisher nicht genutzt worden sind.“

Kläranlage Gleisdorf
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Gleisdorf will mit Abwasser aus der Kläranlage Energie gewinnen

Die wichtigste Ressource ist das Abwasser selbst: Das stammt nicht nur aus Toiletten, sondern auch aus der Dusche oder kommt von den Waschmaschinen und Geschirrspülern – das Wasser ist also relativ warm, sogar noch nach dem Klärprozess. Genau diese Restwärme soll dem gereinigten Wasser in Zukunft mit einer Wärmepumpe wieder entzogen werden.

Damit aber nicht genug: In jeder Kläranlage fällt im sogenannten Faulturm brennbares Biogas an, sagt Joachim Kelz: „Das Biogas, das aus dem Faulturm herauskommt, wird in einem Speicher gespeichert, der Überschuss wird aktuell über eine Gasfackel an die Umgebung entsorgt. In Zukunft sieht es so aus, dass dieses Biogas für die Bereitstellung von Wärme genutzt werden kann.“ Konkret wird das Biogas in einem Heizkessel verbrannt und erhöht damit zusätzlich die Temperatur im Gleisdorfer Fernwärmenetz, das derzeit gerade erweitert wird.

70 Jahre altes Wasserkraftwerk wird modernisiert

Um dem Abwasser die Wärme zu entziehen, braucht es natürlich zusätzliche Energie. Umweltfreundlichen Strom für diesen Prozess soll zukünftig die Gliederwehr liefern – das ist ein seit 70 Jahren bestehendes Wasserkraftwerk an der Raab, das gerade umfassend modernisiert wird, erzählt Erich Rybar von den Stadtwerken Gleisdorf.

Gliederwehr in Gleisdorf
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Die 70 Jahre alte Gliederwehr in Gleisdorf wird revitalisiert

„Wir können hier etwa um ein Drittel mehr an elektrischer Energie erzeugen, wir bauen auch einen Fischabstieg ein, damit die Gewässerökologie verbessert wird. Mit unserer Fernwärmeerzeugung am Standort des Abwasserverbandes kühlen wir das Wasser, das in die Raab eingeleitet wird, auch hier gibt es wieder einen entsprechender Vorteil für die gesamte Gewässerökologie“, so Rybar.

Vorbild für hunderte Städte und Gemeinden

Das gesamte Projekt wird etwa 4,2 Millionen Euro kosten und soll im Juli in Betrieb gehen – mit hoffentlich großer Vorbildwirkung, hofft Christian Fink von AEE Intec: „Wir haben dazu ein Großforschungsprojekt laufen, wo wir uns an zehn verschiedenen Fernwärmenetzen genau solche Lösungen überlegen und untersuchen, wie wir Öl und Gas aus den Fernwärmesystemen verdrängen können und durch erneuerbare Quellen ersetzen. Das Multiplikationspotenzial für solche Kopplungen zwischen Fernwärme und Kläranlagen ist enorm. Man kann sich das so vorstellen, Kläranlagen sind dort, wo Menschen sind, und dort ist dann auch die Fernwärme gleich in der Nähe, und da gibt es ein Übertragungspotenzial auf hunderte Gemeinden und Städte in Österreich, die jetzt eine Kopie unseres Projektes übernehmen können“, sagt Christian Fink von AEE Intec.