Kuh, Milchflaschen
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
WIRTSCHAFT

Milchwirtschaft erlebt „stürmische Zeiten“

Anlässlich des Weltmilchtags am Mittwoch zeichnet die steirische Milchwirtschaft ein dramatisches Lagebild: Milchverarbeitende Betriebe seien durch den Ukraine-Krieg und Preissteigerungen extrem unter Druck, die Zahl der Milchbauern sei weiter im Sinkflug.

2010 gab es in der Steiermark noch mehr als 7.000 Milchbauern, aktuell sind es 3.906. Auch die Preise für Arbeitskräfte sind im Sinkflug: Ein Mitarbeiter auf einem Hof verdient derzeit 1.026 Euro netto im Monat.

Präsident hat große Sorgen

Vor allem der Ukraine-Krieg macht Landwirtschaftskammerpräsident Franz Titschenbacher große Sorgen: „Es gibt Energiepreissteigerungen in einer Größenordnung von 50 bis 60 Prozent, Betriebs- wie Futtermittelsteigerungen von 30 bis 40 Prozent. Wir sind alle gemeinsam gefordert, dass diese Entwicklung entsprechend abgegolten wird“, so Titschenbacher.

Besonders große Sorgen bereiten dem steirischen Präsidenten auch die kleineren Milchbauernbetriebe im steirischen Berggebiet, deren Lage wenig alternative Bewirtschaftungsformen möglich macht: „Oft können sie, umgeben von steilen Hängen, ihre Ställe nicht vergrößern, um noch höheren Tierwohlstandards nachzukommen“, so Titschenbacher, der auch betonte: „Mehr Tierwohl hat seinen Preis, und diesen kann es nicht zum Nulltarif geben.“

„Kaufkraft lässt nach“

Die Ennstalmilch musste ihre Preise für Milch seit Dezember gleich acht Mal erhöhen: „Die Kaufkraft lässt nach. Wir merken, dass sich der Verkauf von Premium-Produkten in Richtung Einstiegsprodukte verlagert. Wir sind dabei, verstärkt Märkte im Ausland zu suchen, die Qualität kaufen – von Bayern bis Dänemark“, sagte Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Radlingmaier.

Drastische Steigerungen

Die Berglandmilch möchte zusätzlich energieautark werden und vom unsicheren Gas wegkommen, erklärte Vorstand Hans Loibner: „Wir erleben stürmische Zeiten.“ In den vergangenen zwölf Monaten habe man den Erzeugermilchpreis so stark erhöht wie nie zuvor, um die Kostenexplosionen in den Milchviehbetrieben abzufedern. Gleichzeitig müsse das Unternehmen selbst drastische Kostensteigerungen bei Energie, Verpackung und Logistik hinnehmen.

"Die Kosten bei Gas haben sich verneunfacht, bei Strom vervierfacht. Ab 2024 will man daher an allen Standorten die Energie aus Hackschnitzeln produzieren und in Voitsberg in eine Glasabfüllanlage investieren. In Gebieten, wo die Zahl der Milchbauern gesunken und die Anfahrtswege lang sind – vor allem in der Südoststeiermark – werde man den Abholrhythmus von jedem zweiten Tag auf jeden dritten Tag umstellen. Die Betriebe würden, zur Aufstockung ihres Kühltankvolumens einen zinsfreien Kredit bezuschusst bekommen, wie Loibner erklärte.

Hoffnungsschimmer

Auch die Obersteirische Molkerei geht auf Nummer sicher und rüstet zusätzlich wieder auf Heizöl um, falls ein Gasstopp kommt. Was die Preiserhöhungen für Konsumenten anbelangt, sollte es bald Licht am Ende des Tunnels geben, meinte Obmann Jakob Karner: „Wir haben sehr bewegte Zeiten, noch nie sind die Kosten für Bauern und Molkereien so stark gestiegen – allerdings sind die Preise für die Endkunden weniger stark gestiegen als die derzeitige Inflationsrate – wir sind nicht die Inflationstreiber.“

Aufpreis für Tierwohl und dessen Grenzen

Es ärgere sie sehr, dass das Tierwohl in den Milchbetrieben oft als Marketingbegriff eingesetzt werde, sagte am Dienstag wiederum Silvia Prugger, Milchbäuerin in St. Johann am Tauern: „Ich habe einen Laufstall gebaut, glücklicherweise schon vor Jahren, denn heute wäre er für mich gar nicht leistbar, aber der Laufstall allein ist nicht das non-plus-ultra, da gehört vieles mehr dazu“, so die Bäuerin, die 15 Milchkühe und samt Kälber und Nachzucht rund 28 Rinder im Laufstall betreut.

Die Aufpreis-Bereitschaft der Kunden für höhere Tierwohlstandards habe jedoch auch ihre Grenzen: Während in einer aktuellen Studie von marketagent rund drei Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten theoretisch bereit wären, mehr für Tierwohl auszugeben, zeige das Einkaufsverhalten ganz andere Werte – mehr als die Hälfte der Kunden würden zum Billigstangebot greifen: „Dieses Phänomen geht immer zu Lasten der Bauern und Bäuerinnen“, betonte Titschenbacher.

Forderungen an Bundesregierung

Der Präsident der steirischen Landwirtschaftskammer nimmt auch die Bundesregierung in die Pflicht, da der Staat an den höheren Betriebsmittelpreisen im Zuge der Umsatzsteuer mitverdiene: „Die Regierung muss mit einem Teuerungsausgleich gegensteuern und das Geld zielgerichtet und unbürokratisch bei den Betrieben ankommen, sonst werden noch mehr Milchbauern aufgeben“, so Titschenbacher.