Gericht

568.000 Euro von Sozialverein abgezweigt: Haft

Eine Steirerin ist am Mittwoch in Graz wegen schweren gewerbsmäßigen Diebstahls zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Die Frau hatte in knapp acht Jahren fast 570.000 Euro von ihrem Arbeitgeber – einem sozialen Lebenshilfe-Verein – abgezweigt.

Die Angeklagte hatte schon viele Jahre für den Verein, der sich unter anderem für Menschen mit Behinderung in den Dienst stellt, gearbeitet. Beim Prozess am Mittwoch schilderte sie dann, wie sie wegen eines offenbar falsch kalkulierten Hausbaus in finanzielle Schieflage geriet und entschied, Geld vom Geschäftskonto zu beheben.

So wurden mit Anfang 2010 monatlich mehrere Tausend Euro abgebucht; sie ließ ihr Gehalt doppelt ausbezahlen und hob regelmäßig bei der Bank Geld für den Verein ab, verbuchte dann aber immer weniger. Jahrelang fiel das nicht auf, bis ein neuer Kassier die Kontrollaufgaben im Verein übernahm: „Es gab viele Bargeldbehebungen, und daher habe ich 2018 eine Kassaprüfung angesetzt“, so der Zeuge.

„Es ist alles schief gelaufen“

Als die Frau mit den Vorwürfen konfrontiert wurde, gestand sie sofort – im Endeffekt fehlten knapp 570.000 Euro. „Es tut mir wahnsinnig leid“, sagte die Beschuldigte und fuhr fort: „Es ist alles schief gelaufen.“ Sie habe den elterlichen Betrieb und das Haus übernommen, aber da war alles herzurichten, es habe nicht einmal eine Heizung gegeben. Sie habe „Angst vor der Öffentlichkeit“ gehabt, wenn sie den Betrieb nicht weiterführt. Eine Schöffin fand das Haus der Angeklagten im Internet und zeigte die Fotos des Gebäudes mit gleich mehreren Giebeln dem Richter. „Sind Ihnen die Zügel beim Herrichten durchgegangen?“, fragte dieser die Frau. „Ja, kann man so sagen.“

Die angeklagte Steirerin
APA/INGRID KORNBERGER

Als die ganze Sache aufflog, wollte sie mit dem Verkauf der Liegenschaft den Kredit tilgen und den Schaden wiedergutmachen, doch der Kaufpreis blieb unter den Erwartungen, und so sind immer noch rund 530.000 Euro bei dem Verein offen. „Wie sollen Sie irgendwie wieder mal ins Trockene kommen? Der Mann neben ihnen ist Rechtsanwalt, kein Zauberer“, meinte der Richter.

Ihr Verteidiger plädierte auf ein mildes Urteil, zumal die Angeklagte ohnehin schon alles verloren habe; sie selbst beteuerte einmal mehr, dass sie das alles bereue, „aber dass es mit dem Schweizer Franken-Kredit so ausgeht, hat keiner gewusst“. Es wäre besser, dass man gleich gar keinen Kredit bekommt, wenn man nicht genug Eigenkapital hat, meinte sie in ihren Schlussworten.

„Sie haben ein System ausgebeutet“

Die Möglichkeit auf eine Fußfessel, wie sie die Staatsanwältin in ihrem Schlussplädoyer noch ins Spiel brachte, verwehrten die Schöffen und der Richter der Angeklagten: Vier Jahre unbedingte Haft und damit keine Möglichkeit auf Hausarrest, lautet das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. „Sie haben ein System ausgebeutet, wo Sie zu großen Teilen freie Hand hatten“, begründete der Richter.

„Vertrauensposition schamlos ausgenutzt“

Es seien durchaus geplante und berechnete Diebstähle gewesen, nicht nach dem Motto „Gelegenheit macht Diebe“. Noch dazu sei ein Verein geschädigt worden, der sich für die Bedürfnisse von Menschen einsetzt, die es sowieso nicht so gut haben, meinte der Richter weiter. Er und die Schöffen glaubten anhand der aktuellen Lebenssituation der Angeklagten nicht, „dass der Verein noch etwas von dem Geld sieht“. „Das war eine Riesensauerei. Sie haben Ihre Vertrauensposition schamlos ausgenutzt“, so der Richter weiter in seiner Begründung. Aus generalpräventiven Gründen sei die Strafe seiner Ansicht nach angemessen, der Strafrahmen betrug ein bis zehn Jahre Haft.