Schildkröten-Nachwuchs in Graz
APA/TURTLE ISLAND/PETER PRASCHAG
APA/TURTLE ISLAND/PETER PRASCHAG
Tiere

Seltener Nachwuchs auf Turtle Island

Die Nachzucht von gefährdeten Schildkrötenarten in Gefangenschaft gilt als schwierig – dem steirischen Zoologen Peter Praschag von Turtle Island in Graz ist nun aber genau einer dieser seltenen Erfolge gelungen.

Die Engmaul-Weichschildkröte (Chitra indica) ist mit rund 200 Kilogramm und einer Panzerlänge von mindestens 110 Zentimetern eine der größten Schildkrötenarten. Sie ist eine hoch spezialisierter Fischjägerin, die, im Sand eingegraben, vorbei schwimmenden Fischen auflauert – kommt eine Beute in Reichweite, schnellt der sehr kleine Kopf in einer für das menschliche Auge nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit hervor, und der Fisch wird verschlungen.

Die an einen Perserteppich erinnernde Zeichnung der Schildkröte geht lückenlos vom Panzer in den kaum abgesetzten Kopf und die Weichteile über, sodass diese Art von dem üblichen Erscheinungsbild einer Schildkröte stark abweicht.

Vom Suppentopf zur Nachzucht

In Indien werden diese gefährdeten Schildkröten gegessen. Dazu passt auch die Vorgeschichte des Muttertiers, das Praschag in Indien gefunden hatte: „In der Morgendämmerung im Frühjahr 1999 zeigte ich ein Bild einer Engmaul-Weichschildkröte Fischerleuten an einem Wochenendmarkt am Brahmaputra-Fluss in Nordostindien. Die Art, die in ihrem Verbreitungsgebiet sehr gerne gegessen wird, wurde von den Fischern sofort erkannt. Eine Frau hätte das einzige Exemplar, welches in der letzten Woche gefangen wurde, gekauft und ist damit heimgefahren.“

Peter Praschag mit Engmaul-Weichschildkröte
APA/TURTLE ISLAND/SHANNON DIRUZZO

Den Namen und die Adresse der Käuferin fand der Steirer heraus und mit einer gecharteten Rikscha fuhr er über holprige Wege zu besagter Inderin: „Trotz aller Verständigungsprobleme führte die überaus freundliche Frau den aufgeregten Biologen in ihre Küche. Ich staunte nicht schlecht, als ich das Tier bereits in einem Suppentopf vorfand. Es war ein wunderschönes und gerade noch unversehrtes Jungtier.“ Über die Botschaft wurde der legale Export organisiert, und seither wuchs das Tier bei Praschag auf.

Acht Jungtiere

Schon 2015 wurde eine männliche Schildkröte derselben Art nach Österreich importiert, aber erst jetzt stellte sich der erste Zuchterfolg ein: Die insgesamt acht winzigen Jungtiere hätten schon nach wenigen Tagen begonnen, lebende Fische zu fangen, und wenn sie größer werden, können sie auch auf tote Fische umgestellt werden, so der Experte. „Letztendlich ist es das Ziel, die in Österreich geschlüpften Jungtiere wieder in ihr Ursprungsland zurückbringen zu können“, so Praschag, der auf weitere Zuchterfolge hofft.

Rund 240 Arten

Turtle Island ist in Österreich als wissenschaftliche Institution und Zoo der Kategorie A anerkannt. Ziel ist es, weltweit gefährdete Schildkrötenarten nachzuzüchten. „Wir finden weltweit Arten, die in der Natur in ihrem Bestand bedroht und kaum mehr vorhanden sind, und ermöglichen eine Nachzucht. Ohne diesen Einsatz wären schon viele wunderbare Schildkrötenarten ausgestorben“, betont Praschag. Mit rund 240 Arten und mehr als 2.500 Schildkrötenexemplaren an vier Standorten habe man in den vergangenen 40 Jahren „eine der weltweit größten und bedeutendsten Schildkrötensammlungen“ aufgebaut.