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Chronik

Notfallsanitäter: Einheitliche Ausbildung gefordert

Der anonyme Brief eines Notfallsanitäters hat die Diskussion um die gesundheitliche Notversorgung neu angeheizt. Experten – aber auch das Rote Kreuz selbst – fordern neben der besseren Ausstattung der Autos vor allem eine bessere Ausbildung der Notfallsanitäterinnen und -sanitäter.

Die Vorwürfe in dem anonymen Brief wiegen schwer: In vielen Rettungswagen des Roten Kreuzes würden wichtige Materialien wie etwa ein EpiPen – ein Notfallmedikament für Allergikerinnen und Allergiker – fehlen.

350 solcher Wagen hat das Rote Kreuz tagsüber in der Steiermark im Einsatz, aber nur ein Bruchteil davon verfügt über spezielles notfallmedizinisches Equipment; der Großteil sei – salopp gesagt – nicht Fisch und nicht Fleisch, sagte Markus Gschanes, selbst Notarzt in der Obersteiermark und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft für Notfallmedizin.

„Fahrzeuge für nichts wirklich gut ausgerüstet“

„Rettungsfahrzeuge in der Steiermark sind einfach durch das breite Einsatzspektrum, das sie abdecken müssen – vom einfachen Krankentransport, wo jemand zur Dialyse oder nach Hause transportiert wird, bis hin zum Rettungseinsatz – für nichts wirklich gut ausgerüstet. Für den Krankentransport sind sie wahrscheinlich mit deutlich mehr Materialien bestückt, als sie brauchen würden, aber für einen Notfallrettungseinsatz gibt es doch Materialien, Gerätschaften, die eigentlich Standard in der Notfallversorgung sind, die auf unseren Rettungswagen nicht mitgeführt werden“, so Gschanes.

Wenn Zufall oder Glück entscheiden

Überhaupt sei der Einsatz der speziell ausgebildeten Notfallsanitäter – abgesehen von den fixen Notarztstützpunkten – nicht klar geplant, ergänzte Gschanes: „Ganz sicher ist das Fahrzeug mit zwei ausgebildeten Rettungssanitätern besetzt. Ob ein Notfallsanitäter, vielleicht sogar Notfallsanitäter mit erweiterten Kompetenzen, mit an Bord ist, entscheidet mehr oder weniger der Zufall oder das Glück.“

Das heißt, auch wenn etwa Notfallmedikamente in allen Rettungswagen wären, so könnten diese oft nicht eingesetzt werden, da von den rund 6.000 steirischen Sanitätern nur jeder sechste auch Notfallsanitäter ist, und auch von ihnen darf nicht jeder alles tun.

Fehlende Struktur

Hier kommt ein weiterer Vorwurf des anonymen Briefes hinzu: Die Weiterbildung von Sanitätern zu Notfallsanitätern würde nicht nur nicht gefördert, sondern sogar verhindert – das alles würde dazu führen, dass die Gesundheit von Menschen riskiert werde.

Von einem deutlichen Verbesserungsbedarf vor allem bei der Ausbildung spricht daher auch der Notfallmedizinexperte Gerhard Prause: „Europaweit sind wir absolutes Schlusslicht. In allen EU-Ländern gibt es eine mehrjährige Ausbildung, teilweise mit akademischem Abschluss. In Österreich haben wir nach wie vor eine Sanitäterausbildung, wo der Standardsanitäter mit 260 Stunden auch zum schwierigsten Notfall ausfährt.“

In der Steiermark würde die Struktur dafür fehlen, dass die Notfallsanitäter zu speziellen Notfällen ausrücken und das entsprechende Equipment haben – das gebe es zwar in Wien, in der Steiermark aber nur in Graz. Auch die Tatsache, dass die Spitäler mit Personalknappheit kämpfen, würde die Situation verschärfen, und zwar „dadurch, dass die Krankenhäuser keine Aufnahmen mehr durchführen und die Transportwege länger werden und die Patienten dann in andere Krankenhäuser verfrachtet werden. Wenn dann zusätzlich vielleicht der Notarzt nicht verfügbar ist, dann wird es einen gewissen Mangel geben, und da wird das Problem stärker werden“, so Prause.

Der Experte forderte, dass es in jedem steirischen Bezirk zumindest einen Notfallwagen mit speziell ausgebildeten Notfallsanitätern und entsprechendem Equipment gibt.

Rotes Kreuz fordert „Komplettausbildung“

Beim Roten Kreuz widerspricht man den Vorwürfen insoweit, als alle vom Gesetz und vom Land verlangten Vorgaben erfüllt würden, und man arbeite auch kontinuierlich an einer Weiterentwicklung des Notfallsanitäterwesens.

So soll sich die Ausbildung durch das neue Rettungssanitätsgesetz ändern, forderte auch der steirische Landesrettungskommandant Peter Hansak: „Die Notfallsanitäterausbildung ist derzeit fragmentiert. Sie haben einen Notfallsanitäter und dann drei Notfallkompetenzen – das heißt, theoretisch können Sie heute vier Notfallsanitäter nebeneinanderstellen und jeder dieser Sanitäter hat andere Rechte und Pflichten. Unsere Forderung ist, dass diese Ausbildung der Notfallsanitäterausbildung zusammengefasst wird in eine Komplettausbildung, sodass es am Ende des Tages nur mehr einen einzigen Notfallsanitäter gibt.“

Eine weitere Forderung etwa vom Bundesverband Rettungsdienst und von Notfallmedizinerinnen und Notfallmedizinern lautet, dass die Rettungsdienste externen Qualitätskontrollen unterzogen werden, und zwar von der Ausstattung über die Ausbildung bis hin zur Einsatzanalyse – das geschehe derzeit nicht.

„Anträge werden ständig vertagt“

Auch NEOS-Landtagsabgeordneter Robert Reif forderte in einer Aussendung eine „groß angelegte Ausbildungsinitiative für Notfallsanitäter und -sanitäterinnen. Auf Bundesebene muss endlich Tempo in die Reform des veralteten Sanitätergesetzes kommen. Unsere Anträge im Nationalrat werden ständig vertagt.“

In dasselbe Horn stieß SPÖ-Nationalratsabgeordneter Mario Lindner: „Es ist höchste Zeit, dass wir endlich die strukturelle Krise im Rettungswesen anpacken. Dafür brauchen wir natürlich dringend eine bundesweite Offensive für ein starkes Sanitäter- und Rettungswesen – aber auch in der Steiermark können wir schon jetzt wichtige Schritte setzen.“ Konkret soll etwa der EpiPen in allen Einsatzfahrzeugen mitgeführt werden und weiter: „In Tirol ist es schon lange Standard, dass ein Notfallsanitäter in jedem Rettungsauto mit dabei ist.“ Warum das in der Steiermark noch immer blockiert werde, sei unverständlich, so Lindner, der auch stellvertretender Bezirksstellenleiter des Roten Kreuzes in Liezen ist.

Aus dem Gesundheitsministerium hieß es dazu auf APA-Anfrage, dass man im regelmäßigen Austausch mit dem Berufsverband Rettungsdienst sowie den Rettungsorganisationen sei. Eine fachliche Evaluierung der Ausbildung sowie der Kompetenzen von Rettungs- sowie Notfallsanitätern und -sanitäterinnen werde vom Ministerium angestrebt und soll im Laufe des heurigen Jahres vollzogen werden. Der Prozess dazu soll im ersten Quartal 2023 beginnen.