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Mord im Irak: 33-Jähriger in Graz vor Gericht

In Graz muss sich seit Montag ein 33-Jähriger wegen terroristischer Vereinigung sowie wegen Mordes, Entführung und Erpressung vor Gericht verantworten – wobei noch nicht ganz klar ist, ob der Iraker Täter oder eigentlich Opfer ist.

Waren es bisher meist vermeintliche Anhänger der Terrororganisation „Islamischer Staat“, die sich in Graz vor Gericht verantworten mussten, so handelt es sich diesmal um einen Iraker, dem die Teilnahme an der schiitischen Badr-Organisation angelastet wird.

Zu Prozessbeginn erläuterte der Staatsanwalt ausführlich die Rolle dieser Organisation, die im Irak ab ungefähr 2010 verstärkt auftrat und auch das Innenministerium kontrollierte: „Badr setzte terroristische Straftaten, um eine Herrschaft aufzubauen. Ziel ist ein Gottesstaat unter beträchtlicher Missachtung der Menschenrechte“, erklärte der Ankläger. Die Organisation ging gegen die sunnitische Zivilbevölkerung „extrem brutal“ vor, es gab Massenmorde, und „ganze Dörfer wurden dem Erdboden gleich gemacht“, prangerte der Staatsanwalt an.

Mit Schleppern nach Österreich

Der Angeklagte soll im September 2014 einen Polizisten entführt haben – von der Familie wurde ein Lösegeld erpresst, trotzdem wurde das Opfer grausam gefoltert und mit der eigenen Dienstwaffe erschossen. Anschließend soll der Angeklagte mithilfe eines Schleppers in die Türkei und weiter nach Ungarn gelangt sein, von wo er mit einem anderen Schlepper nach Österreich gebracht wurde. „Im Irak wäre seine Strafe Tod durch Erhängen, daher gibt es keine Auslieferung“, schilderte der Ankläger die Rechtslage.

„Bruder ist der Schuldige“

Seine Verteidigung gründet darauf, dass der Iraker schlicht bestreitet, die angeklagte Person zu sein: Er habe bei seiner Erstbefragung in Österreich gelogen und den Namen seines Bruders angegeben – auf Anraten seines Schleppers. „Es gibt keine Beweise, wer er ist, und ob er die Tat begangen hat“, betonte der Verteidiger: „Er ist kein Rassist, er war nicht beim Militär, geschweige denn bei einer Miliz.“

„Im Irak sind immer die Brüder die Bösen“, warf der Richter in Anspielung auf ein anderes Verfahren ein. Als Beweis führte die Anklage eine Gesichtsfelderkennung an, was die Verteidigung bestritt und einen Sachverständigen beantragte.

Ähnliche Geschichte wie jene des Opfers

Der 33-Jährige betonte, er habe bei der Erstbefragung gelogen, nun sage er aber die Wahrheit: „Ich war im Irak Lkw-Fahrer, ich bin nicht radikal, ich habe mit Religion nicht viel zu tun, ich trinke sogar. Ich bin nicht richtig Moslem“, lautete seine Rechtfertigung. Er sei im Übrigen auch entführt und gefoltert worden. „Ich bin das Opfer vom Irak“, war er der Überzeugung.

„Das Opfer sind nicht Sie, ich glaube, da sind wir uns einig“, meinte daraufhin der Richter und zeigte ihm die Fotos des getöteten Polizisten. „Ihre Geschichte hört sich ähnlich an wie die des Opfers, nur dass Sie nicht erschossen wurden“, bemerkte der Richter.

Auf die Frage, ob er Mitglied der Badr-Organisation gewesen sein, antwortete der Angeklagte ganz dezidiert „Nein“. Er legte eine Bestätigung vor, dass weder er noch sein Bruder je Mitglied dieser Terror-Miliz gewesen seien. „Was kostet so etwas?“, fragte der Richter ganz praktisch und stieß beim Beschuldigten auf große Empörung: Das sei eine offizielle Bescheinigung, meinte er. „Das schaut schön aus, ist aber von einer Terrororganisation. Das sind Massenmörder und sonst gar nichts“, relativierte der Staatsanwalt.

Prozess bis Mitte März angesetzt

Der Iraker wird von einem angeblichen Mittäter schwer belastet: Dieser Zeuge gab an, der 33-Jährige habe den Polizisten erschossen. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt, am 6. März ist ein weiterer Termin – dann soll wieder einmal Extremisten-Gutachter Guido Steinberg zu Wort kommen. Ob es da auch ein Urteil geben wird, ist noch unklar.

Auf der Suche nach der wahren Identität des Angeklagten sollen per Videoschaltung auch ein hoher Terrormilizvertreter und die Mutter des Mannes gehört werden – nur der Bruder nicht: Er, so sagte der Angeklagte, sei seit 2015 verschollen.