Uni Graz
ORF.at/Christian Öser
ORF.at/Christian Öser
Bildung

Digitale Zeitreise durch die Geschichte der Uni Graz

Mit 30.000 Studierenden und 4.700 Mitarbeitenden prägt die Universität Graz deutlich das akademische und intellektuelle Leben der steirischen Landeshauptstadt. Eine neue Internetplattform erzählt jetzt ihre wechselhafte Geschichte.

Als im Herbst 1586 das erste offizielle Studienjahr an der ein Jahr zuvor gegründeten Jesuitenuniversität offiziell eröffnet wurde, trug sich ein erst Neunjähriger an die erste Stelle in den Matrikenband ein: „Ferdinandus“ – der spätere Kaiser Ferdinand II. und Sohn von Uni-Gründer Erzherzog Karl II., welcher die Gründung einer katholischen Universität als wichtigen Schritt im Glaubenskampf der Gegenreformation sah.

Es folgte die Degradierung zu einem Lyzeum Ende des 18. Jahrhunderts und die Wiedererrichtung der Universität durch Kaiser Franz I. im Jahr 1827 – mit strenger Zensur sowie überwachten und bespitzelten Hochschulangehörigen. Doch die Repressionen konnten die Ausbreitung liberaler und nationaler Ideen an der Universität nicht verhindern, die die Weichen für wichtige und grundlegende Reformen des Universitätswesens stellten. So oder so ähnlich lesen sich viele Geschichten österreichischer Universitäten.

Ausgangspunkt: Forschungsprojekt zur Entnazifizierung

„Ausgangspunkt für unsere ‚kritische Universitätsgeschichte‘ war ein einige Jahre zurückliegendes Forschungsprojekt zur Entnazifizierung an der Uni Graz. Damals wurde deutlich, dass die Art und Weise, wie die Universität ihre Geschichte darstellte, nicht befriedigend war. Es ging uns auch um die Brüche, Konfliktlinien und die ‚schwierigen Phasen‘, um das, worüber man gerne hinwegschreibt“, schilderte Projektleiter Gerald Lamprecht. „Die Idee wurde vom Rektorat der Universität sehr positiv aufgenommen, und nun können wir die Ergebnisse unserer Arbeit präsentieren“, wie der Zeithistoriker und Leiter des Centrums für Jüdische Studien an der Universität Graz sagte.

Faschismus im Fokus

Die neue Webseite zur Geschichte der Universität Graz widmet sich ausdrücklich auch den Verwerfungen der Uni im späten 19. und 20. Jahrhundert und damit auch den Themen Nationalsozialismus, Faschismus und Entnazifizierung: Mehr als 100 Beiträge widmen sich in kompakten Texten mit ausführlichen Literaturangaben dieser Thematik und Zeit.

Etwa wie in der Zeit des autoritären Ständestaates versucht wurde, die Universität zu politischen Erziehungsanstalten des Regimes umzubauen. Oder wie nach der nationalsozialistischen Machtergreifung Österreichs im März 1938 die politische Gleichschaltung der Universität und die systematische Entlassung von Lehrenden nach rassistischen und politischen Gesichtspunkten erfolgte.

Von Ende April 1938 bis zum Ende des NS-Systems sollten an der Universität Graz 20 Professoren, 14 Dozenten und 13 Assistentinnen und Assistenten entlassen werden – darunter befanden sich Funktionäre des vormaligen Ständestaates wie Nobelpreisträger Viktor Franz Hess als Mitglied des Bundeskulturrats.

Der Nobelpreisträger Otto Loewi und der Landesrabbiner und Professor für semitische Philologie David Herzog wurden entsprechend der Nürnberger Rassengesetze als „Juden“ von der Universität vertrieben. Auch „politisch Unzuverlässige“ wie der kurze Zeit später vertriebene dritte Grazer Nobelpreisträger Erwin Schrödinger mussten die Universität verlassen und fliehen.

„Erinnerungszeichen für vertriebene jüdische Studierende“

Die Studierenden wurden ebenfalls nach „rassischen“ und „politischen Gesichtspunkten“ verfolgt und vertrieben, und auch nach intensiven Recherchen ist über die Fluchtgeschichten und Emigration der 50 jüdischen Studierenden der Universität in vielen Fällen wenig greifbar. Manche Schicksale sind jedoch aufgrund autobiografischer Zeugnisse bekannt, wie etwa im Fall von Trude Philippsohn-Lang, die in Palästina zu einer Pionierin des Schulwesens wurde, oder Otto Pollak, einer der ganz wenigen jüdischen Studierenden, die nach dem Krieg nach Graz zurückkehrten, um ihr Studium zu beenden.

„Die Uni Graz setzt mit einer neu entwickelten und aufbereiteten Homepage zur Universitätsgeschichte ‚UniGraz_1585-tomorrow‘ auch ein Erinnerungszeichen für die vertriebenen jüdischen Studierenden“, betonte Rektor Peter Riedler. In dem digitalen Erinnerungsraum würden nunmehr zumindest auch die Geschichten der 50 vertriebenen Studierenden sowie einer Zahl an Forschenden erzählt. „Das gesamte Projekt ist ein Prozess, die Einträge können und werden wachsen“, so Lamprecht.