Wissenschaft

Datenbank zur NS-Zwangsarbeit in Graz

Ein neues Grazer Forschungsprojekt hat sich auf die Spuren der Zwangsarbeit in der NS-Zeit begeben. Die Ergebnisse sind erstaunlich detailliert und werden den Nachfahren der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zugänglich gemacht.

Durchgeführt wurde das Projekt vom Ludwig Boltzmann Institut für Kriegsfolgenforschung in Kooperation mit dem Institut für Geschichte der Universität Graz. Sie haben sich mit den Fragen beschäftigt, wer die nach Graz verschleppten Zwangsarbeiter waren und woher sie kamen, in welchen Bereichen der Kriegswirtschaft sie zum Einsatz kamen oder wo sich die Lager befanden, in denen sie untergebracht waren.

Die Antworten sollen weiteres Licht in das wohl dunkelste Kapitel in der Zeitgeschichte der Stadt Graz bringen. Die Ergebnisse zeigen, dass während des Zweiten Weltkrieges rund 580.000 zivile Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen nach Österreich und damit auch nach Graz gebracht wurden. Über den Einsatz dieser Menschen wurde von den NS-Behörden penibel Buch geführt. Die Karteien zur NS-Zwangsarbeit in Graz konnten im Rahmen des Projekts jetzt in Form einer Datenbank erschlossen und ausgewertet werden.

Mehr als 700 Standorte in Graz

„Was wir jetzt zum ersten Mal haben, ist ein Kaleidoskop der Zwangsarbeit in Graz während der NS-Zeit von mehr als 15.000 Einzelschicksalen. Man kann genau sagen, woher kommen diese Menschen, wie alt waren sie, als sie nach Graz gekommen sind, und in welchen Lagern waren sie. Wir sehen jetzt auch zum ersten Mal, dass es über 700 Standorte in Graz gegeben hat, wo die Zwangsarbeiterinnen untergebracht waren“, sagt Barbara Stelz-Marx vom GrazMuseum.

Es kann auch erstmals genau bestimmt werden, wo die Menschen zur Zwangsarbeit einsetzt wurden – etwa beim Bau des Schlossberg-Stollens, bei Steyr-Daimler-Puch, in der Landwirtschaft oder in Privathaushalten, so Stelz-Marx.

150 Kinder in Lagern geboren

All diese Informationen sind künftig vorwiegend für Angehörige zugänglich. „Ansonsten kann man namentlich in dieser Datenbank nicht suchen, aus Daten- und Personenschutzgründen. Was wir aber auf jeden Fall machen möchten, ist, dass wir die wichtigsten Ergebnisse publizieren, damit die Ergebnisse dieser Arbeit auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.“ Am Freitag wurde die Datenbank dem Grazer Stadtarchiv übergeben.

„Die Stadt Graz hat das Projekt mit 50.000 Euro unterstützt“, sagte Kultur- und Wissenschaftsstadtrat Günter Riegler (ÖVP). Für die neue Geschäftsführerin des GrazMuseums, Sibylle Dienesch, ist es „ein weiterer Schritt zur Aufarbeitung der NS-Zeit“. Der Großteil der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter war zwischen 15 und 40 Jahre alt, das Durchschnittsalter betrug 26 Jahre. Mindestens 150 Kinder wurden von Zwangsarbeiterinnen in Graz geboren und haben ihre ersten Lebensjahre im Lager verbracht.