Schriftsteller Dzevad Karahasan
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Kultur

Autor Dzevad Karahasan in Graz verstorben

Der Schriftsteller Dzevad Karahasan ist tot. Der Wandler zwischen den Welten verstarb am Freitag in Graz, wie sein Verlag Suhrkamp mitteilte. Karahasan galt als einer der renommiertesten Autoren des Balkans – und als einer der meistgeehrten der Region.

Das Werk von Karahasan umfasst Romane, Dramen, Essays und theoretische Schriften – allen Genres gemeinsam war stets ein gewisser Impetus der Aufklärung, ein Ansinnen, als Vermittler zwischen Ost und West oder Islam und Christentum zu fungieren.

Geboren wurde Dzevad Karahasan am 29. Jänner 1953 in Sarajevo in eine muslimische Familie, der Bub wurde allerdings von Franziskanern frühgebildet. Nach dem Studium der Literatur- und der Theaterwissenschaft in Sarajevo wurde Karahasan schließlich Dozent an der dortigen Akademie für szenische Künste, musste die belagerte Stadt jedoch in den Jugoslawienkriegen 1993 verlassen.

Ein Leben auf ideeller Wanderschaft

Es begann ein Leben auf der ideellen Wanderschaft, auch wenn Sarajevo bis zum Schluss einer der Hauptspielorte seiner Werke blieb. Der Exilant Karahasan wurde Gastdozent an verschiedenen europäischen Universitäten und lehrte dabei unter anderem in Salzburg. Zugleich wurde er zunehmend als Literat ernst genommen und erfolgreich. Zu seinen wichtigsten Werken zählen „Sara und Serafina“ (2000), „Der Trost des Nachthimmels. Roman in drei Teilen“ (2016) und 2019 der Erzählband „Ein Haus für die Müden“. Erst heuer erschien bei Suhrkamp „Einübung ins Schweben: Eine ethische und existentielle Grenzerfahrung vom literarischen Chronist Sarajevos“.

Nachruf auf Dzevad Karahasan

Karahasan galt als einer der renommiertesten Autoren des Balkans – und als einer der meistgeehrten der Region. Gernot Rath mit einem Nachruf.

Überdies waren Theaterarbeiten von Karahasan an verschiedenen Häusern in zahlreichen Ländern zu erleben. „Al-Mukaffa“ erlebte beispielsweise 1994 am Wiener Theater Akzent seine Uraufführung, „Der Gesang der Narren von Europa“ im selben Jahr im Künstlerhaus Salzburg. „Povuceni Andjeo“ war 1995 beim Donaufestival in Krems zu sehen, „Die Fremden“ 2001 im Wiener Theater des Augenblicks. 2014 brachte das Schauspielhaus Wien sein „Prinzip Gabriel“ zur Uraufführung.

Wahlheimat Graz

Nach dem Krieg näherte sich der Autor auch wieder seiner alten Heimatstadt an und wurde etwa Dramaturg am Nationaltheater von Sarajevo – zugleich fand er in Graz eine zweite dauerhafte Bleibe, fungierte er doch nicht zuletzt von 1996 bis 2003 als Stadtschreiber der steirischen Metropole.

Vielfach ausgezeichnet

Dabei empfing ihn die neue Heimat auch mit entsprechenden Auszeichnungen: So erhielt Karahasan etwa 1995 für „Tagebuch der Aussiedlung“ den Bruno-Kreisky-Preis, 1999 den Wiener Herder-Preis, 2017 den Grazer Franz-Nabl-Preis. Und 2020 wurde Dzevad Karahasan mit dem mit 50.000 Euro dotierten Goethepreis der Stadt Frankfurt geehrt.