Frühgeborenes mit Tintenfisch
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GESUNDHEIT

Grazer Forscher wollen mehr Frühchen retten

Forschende der Med-Uni Graz haben im Rahmen einer Studie Fortschritte im Zusammenhang mit der Lungenfunktion von Frühgeborenen erzielt: Sie entwickelten eine Methode zur Sauerstoffregulierung, die Sterberate und die Gehirnschädigungen bei Frühgeborenen senken soll.

Wenn ein Kind vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche zur Welt kommt, spricht man von einer Frühgeburt. Moderne Medizin macht die Versorgung der Frühgeborenen möglich, dennoch steht man – je nach Entwicklungsgrad des Babys – vor zum Teil großen Herausforderungen. Eines der größten Probleme stellt die Lungenunreife dar – und damit die Sauerstoffversorgung der Kinder, die zu früh zur Welt kommen.

Sauerstoff als Medikament

Alle Frühgeborenen weisen unmittelbar nach der Geburt einen gewissen Grad an Lungenunreife auf – je früher die Geburt, desto unreifer die Lunge. Daher benötigt der Großteil aller Frühgeborenen im Rahmen der Erstversorgung eine Atemunterstützung und zusätzliche Sauerstoffzufuhr.

Sauerstoff ist ein sehr potentes Medikament, das in vielen Situationen das Überleben sichert. „Aber es hat natürlich auch Nebenwirkungen. In vielen Studien hat sich gezeigt, dass gerade Frühgeborene sehr empfindlich sowohl auf Über-, als auch auf Unterdosierung von Sauerstoff reagieren können. Zur Dosisfindung verwendet man die Pulsoxymetrie, welche die Sauerstoffsättigung im Blut meist an Hand oder Fuß kontinuierlich misst. Allerdings ist das Gehirn das Organ, wo die ausreichende Sauerstoffversorgung insbesondere bei Frühgeborenen als extrem wichtig angesehen wird – vor allem, um eine gute neurologische Entwicklung zu ermöglichen“, erklärte Berndt Urlesberger, Klinische Abteilung für Neonatologie der Med-Uni Graz.

Sensor ohne Schmerzen

Die beiden Forschungseinheiten „Mikro- und Makrozirkulation des Neugeborenen“ und „Zerebrale Entwicklung und Oxymetrie“ der Klinischen Abteilung für Neonatologie der Medizinischen Universität Graz entwickelten in enger Zusammenarbeit die Idee, dass es von Vorteil sein könnte, zusätzlich zur Pulsoxymetrie auch die Sauerstoffsättigung des Gehirngewebes zur Steuerung der Atemunterstützung und Gabe von Sauerstoff im Rahmen der Erstversorgung nach der Geburt zu verwenden.

Die Messung der regionalen Sauerstoffsättigung erfolgt mittels Nahinfrarot-Spektroskopie (NIRS), einer nicht-invasiven, schmerzlosen, kontinuierlichen Messmethodik: Dabei wird ein Sensor auf der Stirn angebracht und anhand des Absorptionsverhaltens von Lichtwellen die regionale Sauerstoffsättigung des Gehirngewebes gemessen. „In den letzten 14 Jahren wurden in Graz mittels zahlreicher Vorstudien nicht nur Normwerte für die zerebrale Sauerstoffsättigung ermittelt, sondern auch die physiologischen Zusammenhänge und Einflussfaktoren untersucht.

Internationale Kooperation

"Mit diesem Wissen wurde ein Konzept erarbeitet, das eine Kombination von klinischen Handlungsanweisungen und dem Monitoring der Sauerstoffsättigung des Gehirns beinhaltet“, erklärte Urlesberger die Geschichte der Forschung in diesem Bereich an der Med-Uni Graz. Es wurde sowohl das Studienkonzept an der Klinischen Abteilung für Neonatologie in Graz entwickelt als auch die Leitung der Studie, die schließlich in mehreren Ländern in Europa und Nordamerika durchgeführt wurde, übernommen. Die Studienleitung übernahm Gerhard Pichler aus Graz.

Nun sind die Ergebnisse dieser großen internationalen Multi-Center-Studie im hochrangigen „British Medical Journal“ erschienen. Es handelt sich hierbei um die weltweit erste klinische Studie zu diesem Thema. Insgesamt wurden 607 Frühgeborene mit weniger als 32 Schwangerschaftswochen in diese Studie eingeschlossen. Es konnte gezeigt werden, dass dieses neue Vorgehen das Potenzial hat, die Sterberate und die Gehirnschädigungen bei Frühgeborenen zu senken.