Überflutete Felder, gesperrte Straßen, Keller unter Wasser, Erdrutschungen und Evakuierungen: Reißerische Wassermengen haben teils enorme Schäden in der Steiermark angerichtet. Vorrangig betroffen waren zuletzt die Bezirke Südoststeiermark, Leibnitz und Deutschlandsberg. Auch in den Bezirken Graz-Umgebung und Voitsberg verzeichneten die Feuerwehren zahlreiche Einsätze. Viele Feuerwehren aus der ganzen Steiermark unterstützten ihre Kolleginnen und Kollegen in den besonders stark betroffenen Gebieten.
55 Hangrutschungen
Insgesamt 55 Hangrutschungen sind mittlerweile in der Steiermark gezählt worden. 41 davon betreffen den Bezirk Südoststeiermark – hier speziell die Gemeinden Gnas, Fehring und Feldbach. Sechs Hangrutschungen hat der Bezirk Leibnitz gemeldet, sechs der Bezirk Deutschlandsberg und zwei gab es in Sinabelkirchen im Bezirk Weiz.
Rettung mit dem Hubschrauber
Für die Gemeinden Paldau, Straden, Gleichenberg und Gnas sowie die Katastralgemeinden Gosdorf und Fluttendorf in der Gemeinde Mureck wurde der Katastrophenfall ausgerufen – ebenso wie für den Ortsteil Heimschuh in der Gemeinde Heimschuh, den Ortsteil Fresing in der Gemeinde Kitzeck und die Ortsteile St. Johann und Saggau in der Gemeinde St. Johann im Saggautal. In Heimschuh mussten Menschen mit Booten in Sicherheit gebracht werden. Nach einem Dammbruch konnten zwei Personen nur per Seil mit dem Hubschrauber gerettet werden.
Unwetter Südsteiermark – Stefan Gröbner
Stefan Gröbner von der Feuerwehr in der Nacht zur Lage in Heimschuh
Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg hat den Katastrophenfall außerdem für die Ortsteile Aibl, Großradl und Pitschgau in der Gemeinde Eibiswald und die Ortsteile Wies und Wernersdorf in der Gemeinde Wies sowie in St. Peter im Sulmtal festgestellt. Im Bezirk Leibnitz wurde in den Ortsteilen Seibersdorf, Rabenhof und Neutersdorf in der Gemeinde St. Veit in der Südsteiermark der Katastrophenfall ausgerufen.
Seniorenheim evakuiert – Notunterkunft eingerichtet
Es ist nicht ausgeschlossen, dass in weiteren Gemeinden die Katastrophe aufgrund der prekären Lage ausgerufen werden muss. In den Bezirken Deutschlandsberg und Leibnitz tagten am Freitagabend die Krisenstäbe. In Leibnitz wurden in der Nacht zum Samstag zahlreiche Häuser evakuiert. Darunter auch ein Pflegeheim und ein Seniorenwohnheim.
Aus dem Pflegeheim „Haus der Senioren“ in Kaindorf wurden 27 Personen in das Althea Seniorenhaus „Koralmblick“ in Frauental gebracht. „Die Bewohner haben durchwegs gelassen und verständnisvoll reagiert“, sagt Wolfgang Seiner vom Roten Kreuz. Aus einem Leibnitzer Seniorenwohnheim wurde eine bettlägrige Person von der Feuerwehr mit einer Korbtrage ins Freie gebracht. Weitere Personen sind in einer Notunterkunft in der Sporthalle Reinhold Heidinger untergebracht, wo aktuell bis zu 120 Personen mit Feldbetten und Decken übernachten können. Auch in der Begegnungshalle in Gosdorf gibt es eine Notunterkunft für bis zu 150 Personen und im Zehnerhaus in Bad Radkersburg eine für 50.
Katastrophenhilfsdienst und Bundesheer im Einsatz
Der Katastrophenhilfsdienst (KHD) des Landesfeuerwehrverbandes wurde in Absprache mit dem Landesfeuerwehrkommando beauftragt, in den betroffenen Gebieten Unterstützung zu leisten. Die Landeswarnzentrale Steiermark hat außerdem das Bundesheer für einen Assistenzeinsatz zur Unterstützung bei der Bewältigung der Hochwassersituation für die Bezirke Südoststeiermark und Leibnitz angefordert.
„Es ist viel zu tun. Die Rückhaltebecken sind bis zum Anschlag voll. Wir haben im Bereich Feldbach schon zwei Hangrutschungen, auch in Voitsberg ist eine aufgetreten – die werden von einem Landesgeologen beurteilt“, so Thomas Meier vom Landesfeuerwehrverband. Landesgeologe Michael Konrad berichtet: „Es kommen minütlich neue Meldungen herein. Wir stehen aktuell bei 16 Hangrutschungen, wobei sechs als Gefahr in Verzug ausgewiesen worden sind. Es sind Sofortmaßnahmen zu setzen, bis hin zur Evakuierung von Häusern, denn durch Rutschungen ist oft das Mauerwerk der Häuser betroffen.“
Unwetter – ORF-Reporter Helmut Schöffmann
ORF-Reporter Helmut Schöffmann berichtet am Freitagabend von den Unwettern
In der Südoststeiermark ist Gnas einer der Krisenhotspots der aktuellen Unwetter: „Wir sind seit 4.00 Uhr unterwegs, ständig durchgehend mit 100 Mann und Frauen“, schildert Feuerwehr-Einsatzleiter Markus Kahr. Mehrfach – wie etwa im Raum Radkersburg – mussten Menschen aus Autos befreit werden, die es nicht mehr aus überschwemmten Zonen geschafft haben. St. Peter am Ottersbach war über Stunden am Landweg nicht erreichbar, in St. Johann im Saggautal musste eine Siedlung evakuiert werden, weil die Gefahr bestand, dass die Bewohner nicht mehr herauskommen und die Feuerwehr nicht mehr hinein. In Heimschuh musste am Freitagabend ein Luftkissenboot aus Kalsdorf angefordert werden, um von den Wassermassen eingeschlossene Bewohner aus einem Gebäude zu retten.
Landesspitze dankt Ehrenamtlichen
Am Samstagvormittag haben sich Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) und sein Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) in der Landeswarnzentrale mit den Katastrophenschutzexperten des Landes beraten. Die Landesspitze dankte im Anschluss den zahlreichen Ehrenamtlichen, die in ihrer Freizeit für das Wohl der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten arbeiten. Außerdem wurde rasche finanzielle Hilfe in Aussicht gestellt. Die Bundesregierung hat am Samstag ebenfalls angekündigt, Geld aus dem Katastrophenfonds bereitzustellen.
Zivilschutzwarnung: Vorsicht geboten
In den Bezirken Deutschlandsberg, Leibnitz und Südoststeiermark ist eine Zivilschutzwarnung aufrecht. Gemeinsam mit dem Landesfeuerwehrverband ruft die Landeswarnzentrale hier und in den Katastrophengebieten zu besonderer Vorsicht auf. Zahlreiche Straßen sind bereits überschwemmt, aber noch nicht abgesperrt. Man sollte hier auf keinen Fall versuchen durchzufahren, da nicht abgeschätzt werden könne, wie tief das Wasser ist.
- Bei Dunkelheit nur gut ausgeleuchtete Plätze und Wege begehen
- Nicht notwendige Fahrten sollten unterlassen werden
- Kein Durchfahren von überfluteten Unterführungen und Straßen
- Anweisungen zu Umleitungen und Straßensperren befolgen
- Zufahrtswege zu Einsatzorten freihalten
- Vorsicht in den Uferbereichen von Bächen und Flüssen, die Böden sind aufgeweicht
- Kleine Gewässer können zu reißenden Bächen ansteigen
- Vorsicht beim Betreten von überschwemmten Kellern (Gefahr von Stromschlägen)
- Bei Wassereintritt in den Keller – Vorsicht beim Öffnen von Türen oder Fenstern
- Bei plötzlichem Wassereintritt in Wohnräume rasch obere Stockwerke aufsuchen
- Abflüsse reinigen oder freilegen
- Kein Risiko eingehen und im Fall der Fälle die Feuerwehr alarmieren
Zahlreiche Straßensperren durch Hochwasser
Aufgrund der Regenfälle stehen gebietsweise Fahrbahnen unter Wasser oder Muren sind abgegangen. Gesperrt sind unter anderem (Stand Samstag; 10.30 Uhr):
- die B69: Zwischen Gamlitz und Leutschach sowie bei Fluttendorf
- die L203: Zwischen St. Peter am Ottersbach und Wittmannsdorf
- die L253: Zwischen St. Peter am Ottersbach und Perbersdorf
- die L336: Die Liebochtalstraße bei St. Oswald
- die L371: Die Verbindung zwischen Wildon und Allerheiligen bei Wildon
- die L269: In Weinburg am Saßbach
- die L208: Bei Perbersdorf
Die Verbindung Maribor – Triest ist laut Polizei Kärnten voraussichtlich bis Sonntag unterbrochen. Das betrifft die Autobahn A1 zwischen Celje und Ljubljana, die an mehreren Stellen gesperrt ist. In Slowenien ist auch die Bahnverbindung zwischen Jesenice und Ljubljana nach dem Unwetter unterbrochen.
Zivilschutzalarm in Teilen Kärntens
Besonders stark betroffen ist am Freitag auch Kärnten: Starke Niederschläge in der Nacht haben hier erneut zu Murenabgängen und Überflutungen geführt. In Loibach (Gemeinde Bleiburg) und in der Gemeinde St. Paul/Lavanttal wurde Zivilschutzalarm wegen Hochwassergefahr ausgelöst. Für die Gemeinden St. Georgen im Lavanttal und Bad Eisenkappel gilt eine Zivilschutzwarnung – mehr dazu in Zivilschutzalarm in Teilen Kärntens (kaernten.ORF.at).