Königreichssaal der Zeugen Jehovas
ORF
ORF
Chronik

Sprengsätze gezündet: Staatsschutz ermittelt

In der Stadt Leibnitz ermittelt der Staatsschutz, nachdem jemand am Freitagabend Sprengsätze an zwei Fahrzeugen angebracht hat: Deren Besitzer haben in unmittelbarer Nähe an einer Gebetsstunde der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas teilgenommen.

Der unbekannte Täter dürfte in der Zeit zwischen 18.45 und 21.00 Uhr Sprengsätze an zwei auf einem Parkplatz in der Leibnitzer Südbahnstraße abgestellten Autos angebracht haben. Diese detonierten in der Folge, wobei ein Sprengkörper an einem geparkten Wagen ausgelöst wurde – als die Besitzerin zu ihrem Wagen ging, fielen ihr herumliegende Teile bei ihrem Auto auf. Ein zweiter Sprengsatz detonierte, als der zweite Fahrzeugbesitzer bereits einige Kilometer mit seinem Auto gefahren war. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, verletzt wurde jedoch niemand.

Bitte um Hinweise

Die Polizei bittet, sich mit etwaigen Hinweisen an die nächste Polizeidienststelle zu wenden.

Sprengsätze während Gebetsstunde angebracht

Zur selben Zeit fand laut einer Aussendung der Polizei in unmittelbarer Nähe eine Gebetsstunde der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas statt, an der beide Fahrzeugbesitzer teilnahmen.

Eine Detonation wurde von den Teilnehmenden der Gebetsstunde auch vernommen: „Wir haben es gehört; es war in der Nähe vom Königreichssaal, wir haben uns eigentlich nichts gedacht“, so Oskar Hölbing. Desiree Scheuer schilderte: „Es war ein kurzer Schrecken, man hat einen lauten Knall wahrgenommen.“

Helmut Schöffmann berichtet für „Steiermark heute“ vom Tatort in Leibnitz.

„Es hat sich durchaus um Glück gehandelt, dass vor allem der zweite Fahrzeugbesitzer nicht verletzt wurde. Es waren an der Unterbodenplatte Sprengsätze angebracht. Aber glücklicherweise sind beide Detonationen so ausgegangen, dass niemand verletzt wurde“, so Polizeisprecher Markus Lamb. Ein Zusammenhang mit der Gebetsstunde der Zeugen Jehovas wird von der Polizei nicht ausgeschlossen: „Ermittlungen laufen in jegliche Richtungen“, sagte Lamb.

Ermittlungsgruppe eingerichtet

In Leibnitz nahmen Kriminalistinnen und Kriminalisten des Landeskriminalamtes (LKA) Steiermark, Sprengstoffexperten (SKO) der Polizei sowie der Entschärfungsdienst (ESD) umgehend die Ermittlungen auf. Auch eine Tatortarbeit bzw. Spurensicherung wurde noch in der Nacht durchgeführt.

ABD0073_20230819 – LEIBNITZ – …STERREICH: ZU APA0098 VOM 19.8.2023 – An zwei Auto-Unterbšden in Leibnitz sind am Freitagabend, 18. August 2023, SprengsŠtze detoniert, wobei aber niemand verletzt wurde. Eine unbekannte Person hatte die SprengsŠtze angebracht, wŠhrend die Besitzer der Fahrzeuge bei einer Gebetsstunde der Glaubensgemeinschaft „Zeugen Jehovas“ waren. Ob ein Zusammenhang besteht, werde noch geprŸft. – FOTO: APA/KORNBERGER
APA/KORNBERGER
Zu der Tat kam es in unmittelbarer Nähe zum Königreichssaal der Zeugen Jehovas

Das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) hat bereits eine eigene Ermittlungsgruppe eingerichtet. Auch potenziell gefährdete Einrichtungen werden sensibilisiert und polizeilich verstärkt überwacht.

2.800 Mitglieder in der Steiermark

Nach eigenen Angaben haben die Zeugen Jehovas gut 22.000 aktive Mitglieder in Österreich, die stärkste Gruppierung davon in Oberösterreich. In der Steiermark sind knapp 2.800 Mitglieder vermerkt. Die Glaubensgemeinschaft könnte nun schon zum zweiten Mal in diesem Jahr im deutschsprachigen Raum mit einer gegen sie gerichteten Gewaltaktion konfrontiert sein: Erst Anfang März starben bei einem Amoklauf in einem Gebetshaus in Hamburg acht Menschen, auch der Täter, der Suizid verübt hatte.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Österreichweit gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

Zusätzliche Brisanz erhält der Vorfall dadurch, dass seit Freitag und noch bis inklusive Sonntag der Sommerkongress der Zeugen Jehovas im Wiener Happel-Stadion stattfindet. Laut Polizeiangaben versammeln sich dort rund 9.000 Gläubige. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden entsprechend verstärkt, hieß es Samstagnachmittag auf APA-Anfrage. Auch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ist eingebunden.

Leibnitzer Bürgermeister „erschüttert“

Der Bürgermeister von Leibnitz, Michael Schumacher (SPÖ), war im Gespräch mit der APA geschockt: „Das überrascht jeden, und man ist erschüttert. Die Region ist bekannt fürs Wohlfühlen, und nun sind wir durch ein Jahrhunderthochwasser schon so gebeutelt, als Gesellschaft und als Region, und dann wird so etwas noch draufgesetzt. Das macht sprach- und fassungslos.“ Die Zeugen Jehovas seien in Leibnitz eine völlig unauffällige Glaubensgemeinschaft und noch nie negativ aufgefallen. Schumacher sei kein Konflikt im Zusammenhang mit den Zeugen Jehovas in seiner Stadtgemeinde näher gebracht worden.