Steirischer herbst 2023
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Kultur

Steirischer herbst: Das Böse ist immer und überall

Am Donnerstag startet die 56. Ausgabe des Grazer Kulturfestivals steirischer herbst – diesmal unter dem Motto „Humans and Demons“ (Menschen und Dämonen). Insgesamt gibt es heuer über 40 Arbeiten, viele davon sind Auftragswerke.

Neben zahlreichen Performances, dem bisher umfangreichsten Vermittlungsprogramm mit vielen Expertengesprächen, Diskussionen, Workshops und Rundgängen bilden vier Ausstellungen das Herz der aktuellen Festivalausgabe.

Vom „Demon Radio“ bis zur „Villa Perpetuum Mobile“

Die Ausstellungen verteilen sich auf vier höchst unterschiedliche Stadtteile. Im ruhigen, bürgerlichen Mariagrün beschäftigt sich „Demon Radio“ in einem ehemaligen Callcenter mit der kontroversiellen Person von Dietrich Schulz-Köhn, der gleichzeitig überzeugter Nationalsozialist, Offizier und Jazz-Experte war. Neben den Werken von zehn verschiedenen Kunstschaffenden ist dort auch ein Teil des Archivs des auch als „Dr. Jazz“ bekannten Sammlers zu sehen.

Das Forum Stadtpark verwandelt sich für das Festival in das fiktive Hausmuseum „Villa Perpetuum Mobile“. Dort dreht sich alles um den bulgarischen Physiker Stefan Marinow, der in Graz vergeblich versuchte, ein Perpetuum mobile zu konstruieren und darüber Selbstmord beging.

Von „Church of Ruined Modernity“ bis „Submarine Frieda“

Auf der rechten Murseite – Intendantin Ekaterina Degot hob bei der Programmpräsentation die politischen, topografischen und gesellschaftlichen Kontraste in der Geografie von Graz hervor – verwandelt sich das Minoritenkloster in die „Church of Ruined Modernity“, in deren Mittelpunkt das Leben der nach Brasilien ausgewanderten Schweizer Künstlerin Mira Schendel steht, die sich 1944 für kurze Zeit in Graz aufhielt.

Auf dem Griesplatz schließlich ankert das „Submarine Frieda“, ein aufgelassener Supermarkt mit ehemaligem Tanzsaal im Anschluss, das in einem fiktiven, zeithistorischen Überschwemmungsgebiet nach den Grauzonen des Überlebens angesichts von Unterdrückung und Marginalisierung sucht.

Alle vier Ausstellungen sind dank einer neuen Kooperation mit der Arbeiterkammer bei freiem Eintritt zu sehen. Zudem können am Freitag alle vier Ausstellungen im Rahmen einer geführten Fahrradtour bewältigt werden.

Über 40 Arbeiten – Eröffnung neben dem Uhrturm

Insgesamt präsentiert der „herbst“ heuer über 40 Arbeiten, viele davon sind Auftragswerke. Zu den vielen performativen Arbeiten gehört unter anderem die Eröffnungsperformance am Donnerstag neben dem Uhrturm von Lulu Obermayer, die sich mit der fragilen Maskulinität des Heldentums auseinandersetzt.

Weitere spannende Performances gibt es unter anderem von Adrienn Hod, Michael Portnoy, Giacomo Veronesi, Ilyich alias Anton Kats sowie Madame Nielsen. Mit dabei auch wieder die beiden Grazer Theaterkollektive Das Planetenparty Prinzip und Theater im Bahnhof.

Kooperationen mit Kunst-, Schauspiel- und Literaturhaus

Weitere Kooperationen gibt es wieder mit dem Kunsthaus, das im Rahmen des steirischen herbstes sein 20-jähriges Bestehen feiert, dem Schauspielhaus (österreichische Erstaufführung von Elfriede Jelineks „Sonne/Luft“) und dem Literaturhaus, wo heuer Birgit Birnbacher die traditionelle „Zukunftsrede“ halten wird. Lesungen gibt es unter anderem von Natascha Strobl, Dincer Gücyeter und Armen Avenassian. Die Literaturshow „Roboter mit Senf“ erlebt ebenfalls eine Neuauflage – Gäste sind heuer Max Höfler, Lydia Haider und Christl Mth.

Abgerundet wird das Festival wie immer mit dem ORF „musikprotokoll“: Das „musikprotokoll“ lädt unter dem Motto „interconnected | interdependent“ vom 5. bis 8. Oktober dazu ein, die uns umgebende Umwelt nicht als statischen Ort, sondern als dynamisches Beziehungsgeflecht zu betrachten, das heute vielleicht mehr denn je einer bewussten Gestaltung bedarf.