Steiger-Retrospektive im Bruseum
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Kultur

Bleibende Bühne für Ex-Aktionisten und Bild-Dichter

Günter Brus schockte in den 1960er-Jahren mit seiner radikalen Körperkunst, nach seiner „Uni-Aktion“ (1968) galt der „Wiener Aktionist“ und gebürtige Steirer als „Staatsfeind“, wie es Brus selbst formulierte – heute zählt er zu den international renommiertesten Künstlern. Das Bruseum in Graz wirft seit 2011 immer wieder neues Licht auf den einstigen Kunstrebellen.

Im Jahr 2008 kaufte das Land Steiermark auf Initiative des damaligen Leiters der Neuen Galerie, Peter Weibel, einen großen Werkkomplex von Günter Brus um rund 1,4 Millionen Euro an – damit konnte für die Neue Galerie am Universalmuseum die bisherige Sammlung erweitert und ein wesentlicher Teil des Lebenswerkes des Ex-Aktionisten und Künstlers, der hart an seine Grenzen zu gehen wusste, in der Steiermark gehalten werden.

Die Basis für die heute umfangreiche Brus-Sammlung wurde an der Neuen Galerie in den späteren 1990er-Jahren gelegt, was im Wesentlichen auf die Gesellschaft der Freunde der Neuen Galerie, aber auch den Mäzen Hellmut Czerny zurückgeht. In den folgenden Jahren konnten auch sämtliche Fotomappen zu den Aktionen von Brus ergänzt werden. Legendär sind etwa Aktionen wie der „Wiener Spaziergang“, in der er sozusagen als lebendiges Gemälde in den öffentlichen Raum vordrang (1965), oder seine radikalste Aktion, die „Zerreißprobe“ (1970), die in Fotos dokumentiert im Bruseum verwahrt wird – letztere entstand bereits in Berlin, wohin der Künstler nach der Aktion „Kunst und Revolution“ (1968) und nach der Verurteilung zu sechs Monaten Haftstrafe mit Frau und Kind geflüchtet war.

Werke aus allen Schaffensperioden

Heute besitze das Bruseum Werke des Künstlers aus allen Schaffensperioden, so Kurator Roman Grabner: Neben frühen informellen Arbeiten, Dokumentationen auf Foto und Film, Zeichnungen und Druckgrafiken sind auch die „Bild-Dichtungen“ – sein Versuch, Wort und Bild zu einer Einheit zu verbinden – vertreten.

Bilddichtung von Günter Brus
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2009 wurde für das Brus-Zentrum auch der literarische Vorlass von Brus angekauft: Er besteht aus über 700 Heften, Manuskripten und Entwürfen mit mehr als 20.000 beschriebenen Seiten. Der Künstler gestattete dem Bruseum, von allen Fotonegativen seiner Aktionen Abzüge für Ausstellungs- und Dokumentationszwecke zu ziehen und hat auch sein Dokumentationsarchiv zur Verfügung gestellt, das mit dem in der Neuen Galerie vorhandenen Archivmaterial zusammengeführt wurde.

Das Schaffen „erforschen, bewahren, vermitteln“

Als das Bruseum im Herbst 2011 eröffnet wurde, umfasste die Sammlung rund 20 Filme, 1.181 Einzelfotos zu 19 Aktionen sowie 39 Zyklen und Bild-Dichtungen aus insgesamt 499 Blättern. Weitere Mappenwerke, Dauerleihgaben und Schenkungen haben den Bestand ergänzt. Seither repräsentiert das Bruseum damit einen eigenen Sammlungs- und Forschungsschwerpunkt zum Leben und Werk des Künstlers innerhalb der Neuen Galerie – Ziel ist es, das Schaffen von Günter Brus wissenschaftlich zu erforschen, zu bewahren und zu vermitteln.

Im Museumsgebäude in der Neutorgasse im Joanneumsviertel hat das Bruseum einen permanenten Ausstellungsbereich. Wechselnde Ausstellungen mit begleitenden Veranstaltungen wie Symposien und Filmvorführungen beleuchten einzelne Aspekte von Günter Brus’ Oeuvre bzw. seiner Wechselwirkungen mit anderen Künstlern. Wichtig sei auch, den eingeschränkten Blick auf den Künstler, der innerhalb seines gesamten Oeuvres nur rund sechs Jahre aktionistisch gearbeitet hat, zu öffnen: So war eine Ausstellung etwa seinen Theaterarbeiten gewidmet oder den Zeichnungen, die Brus für seine Tochter angefertigt hat.

„Polyartist von renaissancehafter Größe“

Rund 30 Ausstellungen zu unterschiedlichen Aspekten des „Polyartist von renaissancehafter Größe“, wie ihn Peter Weibel bezeichnete, wurden seither gezeigt; mehr als ein Dutzend Kataloge wurden aufgelegt. Diese jüngste, Ende März eröffnete Schau beleuchtet die Rolle von Anna Brus für den Wiener Aktionismus und die Karriere ihres Mannes. Die Ehefrau des Künstlers wurde durch ihr intuitives Verständnis für die künstlerischen Anliegen und ihr mutiges Engagement Partnerin, Managerin, Muse, Co-Akteurin seiner Aktionen und wesentliches Mitglied dieser Bewegung.