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Landesrat Seitinger: „Ich hätte noch viel vorgehabt“

Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) hat Donnerstagmittag aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt bekanntgegeben. Bei einer Pressekonferenz in seinem Büro im Grazer Landhaus gab er eine emotionale persönliche Erklärung ab: „Es geht um sehr viel.“ In einem Gespräch zieht er Bilanz über 20 Jahre als Landesrat.

„Es geht um sehr viel. Seit vier Monaten führe ich einen Kampf mit meiner Gesundheit, der nicht einfach ist, aber durchaus gewonnen werden kann. Vorausgesetzt, man setzt die richtigen Prioritäten“, so Seitinger, der mit der nächsten Landtagssitzung sämtliche politische Funktionen zurücklegen wird: „Es ist ein dringender Rat meiner ärztlichen Begleiter“ – so habe er „den Herrn Landeshauptmann und Landesparteiobmann gebeten, mich von der Verantwortung als Landesrat zu entbinden“.

Vier entscheidende Errungenschaften

Mit Johann Seitinger verlässt der bis dato längstdienende Landesrat Österreichs die politische Bühne. ORF-Chefredakteur Wolfgang Schaller hat ihn zum „Steiermark heute“-Gespräch gebeten, in dem Seitinger Bilanz über seine politische Laufbahn zieht. Dabei nennt er vier entscheidende Errungenschaften:

Seitinger zieht im Gespräch mit ORF Chefredakteur Wolfgang Schaller Bilanz

Abschied unter Tränen

Neben seinem Team und Wegbegleitern bedankte sich Seitinger auch bei seinen Ärzten: „Wir haben eine Weltstadt der Gesundheit, und ich habe das jetzt persönlich, nicht als VIP, sondern als Hans Seitinger testen dürfen.“ Tränenreich auch der Dank an seine zwei Chauffeure: „Zwei Mal 2.500.000 Kilometer ohne Unfall! Und wenn ich meine Familie zum Schluss nennen darf, die auf so viel verzichten musste, verstehen Sie vielleicht auch ein bisschen meine Emotion.“

Seitingers emotionale persönliche Erklärung

Seitinger gab nur ein kurzes Statement zu seiner Erkrankung ab, Journalistenfragen waren dabei nicht zugelassen. Er schloss seine kurze Erklärung mit dem Satz: „Fürchtet euch nicht, ich gehe davon aus, dass sich die Welt auch ohne den Hans Seitinger in der Regierung weiterdrehen wird.“ Bis zur Landtagssitzung am 17. Oktober soll über Seitingers Nachfolge entschieden werden.

Drexler: „Wird mir unglaublich abgehen“

Für seine persönliche Erklärung lud der Landesrat am Donnerstag auch Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP). Dieser lobte die „unglaubliche Karriere“ von Seitinger: „Der Hans wird mir unglaublich abgehen in der Regierungsarbeit“, so der Landeshauptmann; er sei immer bodenständig, verantwortungsbewusst und manchmal „fast zu fleißig“ gewesen.

ABD0027_20231005 – GRAZ – …STERREICH: ZU APA0202 VOM 5.10.2023 – (v.l.) Der steirische Agrarlandesrat Hans Seitinger (…VP) und der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (…VP) am Donnerstag, 5. Oktober 2023, im Rahmen einer Pressekonferenz, anl. einer persšnlichen ErklŠrung, im Grazer Landhaus. Hans Seitinger hat nach 20 Amtsjahren Ÿberraschend seinen RŸcktritt bekannt gegeben. – FOTO: APA/INGRID KORNBERGER
APA/INGRID KORNBERGER
Seitinger bedankte sich in seiner Rede bei drei Wegbegleitern persönlich – darunter auch Landeshauptmann Drexler

„Hans Seitinger ist für mich ein Inbegriff eines Steirers, der Verantwortung lebt. Vom Landjugendobmann zum Feuerwehrkommandanten und vom Bürgermeister zum Landesrat“, so Drexler: „Er ist einer, der auf die Leute zugeht, ein Verbinder. Mit diesen Eigenschaften hat er viele heikle Situationen gelöst und Verhandlungserfolge erzielt. Ein echter Meilenstein, mit viel persönlichem Einsatz, war zuletzt die Wohnoffensive weiß-grün mit einem Volumen von 122 Millionen Euro, mit der die Mieten gesenkt und der Wohnbau wieder angekurbelt wird.“

Die Betroffenheit bei Seitingers Team war tränenreich, das Medienaufkommen enorm: „Ein Tisch voller Mikrofone! Wunderbar!“, meinte Seitinger dazu. Bei drei Personen bedankte sich der Landesrat persönlich: Landeshauptfrau Klasnic, Landeshauptmann Schützenhöfer und Landeshauptmann Drexler für das uneingeschränkte Vertrauen.

„Zwei Drittel zuhören, ein Drittel handeln“

Seit rund zwei Jahrzehnten ist der aktuell längstdienende Landesrat Mitglied der steiermärkischen Landesregierung und für Land- und Forstwirtschaft, Wasser- und Ressourcenwirtschaft sowie Wohnbau, Veterinärwesen, landwirtschaftliches Schulwesen, Tierschutz und Umwelt zuständig.

Ein Rückblick auf Johann Seitingers Amtszeit

Am 25. September 2003 wurde Seitinger in Bad Radkersburg vom Präsidium der ÖVP zum neuen Agrarlandesrat nominiert. Als Nachfolger von Erich Pöltl in der Regierung von Waltraud Klasnic nahm sich der damals 42-jährige Obersteirer vor, besonders gut zuhören zu wollen: „Man soll in der gesamten Zeit, die einem zur Verfügung steht, zwei Drittel zuhören können und das letzte Drittel handeln und umsetzen können. Ich glaube, das ist eine goldene Regel und die will ich auch so sehen.“

Als seine wichtigsten Themen in 20 Jahren Regierungstätigkeit sieht Seitinger heute die sichere Trinkwasserversorgung in der Steiermark, das Bemühen um den Baustoff Holz und die klimafitte Land- und Forstwirtschaft sowie auch, dass die Steiermark weltweit beim Thema Recycling führend sei sowie die tolle Aus- und Weiterbildung im landwirtschaftlichen Bereich.

„Ich hätte mir noch so viel vorgenommen“

Unter Tränen dankte Seitinger seinem „bewährten und großartigen Team im Hause, in den Abteilungen, aber letztlich auch in den Schulen und Interessenvertretungen.“ Und weiter: „Ich möchte meinen Regierungskollegen über alle Fraktionen hinweg auch in der Proporzzeit noch – der Freiheitlichen Partei, der Sozialdemokratie, allen Regierungskollegen – sehr herzlich danken. Den Klubobleuten in ganz besonderer Weise, die mir jetzt zur Seite gestanden sind, wenn es darum gegangen ist, entscheidende Gesetze und Verordnungen zu schmieden. Den Abgeordneten aller Parteien mit größtem Respekt, den Bürgermeistern, den Bezirkshauptleuten und vielen amtlichen Stellen. Aber ganz besonders den Universitäten, der Industrie und den Erzeugerorganisationen, die mir so ans Herz gewachsen sind“. Auch den Medien dankte er „für so manche gute G’schicht!“

ABD0028_20231005 – GRAZ – …STERREICH: ZU APA0202 VOM 5.10.2023 – (v.l.) Der steirische Agrarlandesrat Hans Seitinger (…VP) und der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler (…VP) am Donnerstag, 5. Oktober 2023, im Rahmen einer Pressekonferenz, anl. einer persšnlichen ErklŠrung, im Grazer Landhaus. Hans Seitinger hat nach 20 Amtsjahren Ÿberraschend seinen RŸcktritt bekannt gegeben. – FOTO: APA/INGRID KORNBERGER
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Bis zur Landtagssitzung am 17. Oktober soll über Seitingers Nachfolge entschieden werden

„Ich hätte mir noch so viel vorgenommen für diese nächsten Jahre; von der für mich so wichtigen Belebung der Ortskerne bis hin zu einer nachhaltigen Klima- und Bodenpolitik, die wir auch unter Landeshauptmann Drexler eingeleitet haben. Und es wäre mein politisches Ziel gewesen, wieder mehr Vertrauen und Zuversicht statt Missmut und Bürokratie in die Politik zu tragen!“ Es brauche wieder ein Umdenken hin zu mehr Handschlagqualität und Hausverstand.

Politik würdigt Seitingers Arbeit

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) lobte Seitinger als „stets verbindlich in seinen Ansagen, vorausschauend und kompetent in seinem Handeln und immer das Wohlbefinden der Bevölkerung, vor allem der Bäuerinnen und Bauern, im Mittelpunkt – so kennt und schätzt man Hans Seitinger“. Er wünsche ihm gesundheitlich das Beste, so Totschnig.

ÖVP-Landesgeschäftsführer Detlev Eisel-Eiselsberg betonte in einer Aussendung: „Hans Seitinger hat für die Steirerinnen und Steirer mit seinem jahrzehntelangen Engagement Großartiges geleistet und unglaublich viel für dieses Land erreicht. Für die Steirische Volkspartei war er eine Konstante, seit 1999 Mitglied des Bezirksparteivorstandes und seit 2003 Mitglied des Landesparteivorstandes. Seine Aufgaben als Landesrat und seit 2013 als Obmann des Steirischen Bauernbundes hat er stets mit aufopferungsvollem Einsatz und viel Leidenschaft wahrgenommen, dafür gebührt ihm unser großer Dank.“

„Du hast dich über Jahrzehnte in zahlreichen politischen Funktionen für die Interessen der Steiermark eingesetzt und dabei vieles für unser Bundesland erreicht. Die Zusammenarbeit mit dir war stets von Sachlichkeit und großer Wertschätzung geprägt. Ich danke dir herzlich für deinen Einsatz aber vor allem auch für deine Freundschaft. Ich wünsche dir eine rasche und vor allem vollständige Genesung und hoffe sehr, dass du bald wieder bei vollen Kräften bist“, richtete der steirische Landeshauptmann-Stv. und SPÖ-Chef Anton Lang über Facebook an Seitinger aus.

Ein Danke und Genesungswünsche kamen auch von Grünen-Klubobfrau Sandra Krautwaschl – auch wenn man in politischen Sachfragen oft anderer Meinung war, würden die Grünen vor allem die gute persönliche Gesprächsebene mit Seitinger vermissen: „Landesrat Seitinger gehört noch zu den Politikern, die genau zuhören, wenn andere ihre Meinung äußern. Es gab von seiner Seite immer ein ehrliches Interesse am inhaltlichen Austausch.“

Auch FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek betonte in einer Aussendung: "Persönlich hatten wir eine sehr gute Gesprächsebene, was in der heutigen Zeit nicht immer selbstverständlich ist. Hans Seitinger hat aufgrund seines bürgerlich orientierten Wertekanons immer einen guten Kontakt zur FPÖ gepflegt. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren, hat er zweifelsohne Verdienste für Land und Leute erbracht, was wir als Oppositionspartei durchaus anerkennen.“

„Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Landesrat Seitinger und wünsche ihm persönlich alles Gute! NEOS bedankt sich bei Landesrat Seitinger für die konstruktive Zusammenarbeit in den letzten Jahren“, so NEOS-Klubobmann Niko Swatek.

Dank von steirischen Bäuerinnen und Bauern

Dank für die gemeinsame vertrauensvolle Zusammenarbeit kam auch vonseiten der steirischen Bäuerinnen und Bauern – durch sein Eintreten für ein vorbildliches land-, forst- und ernährungswirtschaftliches Schulwesen habe Seitinger auch der Jugend wichtige Perspektiven und Möglichkeiten eröffnet.

Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Titschenbacher, Vizepräsidentin Maria Pein und Kammerdirektor Werner Brugner betonten: „Agrarlandesrat Johann Seitinger hat das Herz am richtigen Fleck und hat sich unermüdlich und konsequent für die Anliegen der bäuerlichen Familienbetriebe in der Steiermark eingesetzt. Er hat für die Bäuerinnen, Bauern und bäuerliche Jugend Unermessliches geleistet. Er ist ein großer Agrarpolitiker.“

Auch Bauernbund-Präsident Georg Strasser und Bauernbund-Direktor David Süß sprachen Seitinger in einer Aussendung ihren Dank aus: „20 Jahre lang hat Hans Seitinger bewiesen, dass er die Anliegen unserer Bauernfamilien kennt.“