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Gericht

Anschlag auf Asylheim: Prozess vertagt

Im Jahr 2010 ist in einer Flüchtlingsunterkunft der Caritas in Graz ein Sprengsatz detoniert. Seit Dienstag stehen in Leoben drei Tatverdächtige vor Gericht. Der Hauptangeklagte zeigte sich anfangs geständig, zog dann aber sein Geständnis zurück. Nun wird ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Prozess soll im Februar fortgesetzt werden.

Am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch wurden einige Zeugen befragt. Danach wurde die Verhandlung auf Februar vertagt. Dann sollen jene Zeugen, die sich wegen Krankheit entschuldigt hatten und weitere Zeugen geladen werden. Zudem soll ein kriminaltechnisches Gutachten erstellt werden, das prüft, ob der Angeklagte auf den vorliegenden Fotos aus einer Überwachungskamera nahe des Flüchtlingsheims zu identifizieren ist.

Von den Tätern fehlte lange jede Spur. Erst elf Jahre nach dem Anschlag führten Videoaufzeichnungen zu einem damals 15-Jährigen, dieser zu weiteren Verdächtigen – mehr dazu in Anschlag auf Grazer Asylheim nach Jahren geklärt (11.10.2021).

Drei Obersteirer müssen sich seit Dienstag im Landesgericht Leoben für die Tat verantworten. Die damals jugendlichen Burschen und ein 19-Jähriger sollen – teilweise als Beitragstäter – für die Explosion bei dem Caritas-Heim verantwortlich gewesen sein. Auch sind sie wegen mehrerer Straftaten nach dem Verbotsgesetz angeklagt, denn sie sollen sich laut Gericht zusätzlich „im Zeitraum von 2009 bis 2011 auf unterschiedliche Weise nationalsozialistisch wiederbetätigt“ haben.

Hauptangeklagter spricht von „Mutprobe“

Der Hauptangeklagte zeigte sich zunächst geständig und gab an, von den anderen beiden angestiftet worden zu sein. Er soll während des Besuchs des Polytechnischen Lehrganges in Mariazell den Kontakt zum Zweitangeklagten gesucht haben, der sich bereits in der rechtsextremen Szene aufgehalten haben soll. Er soll ihn bewundert haben für sein selbstbewusstes Auftreten und dafür, dass dieser verbotene Musik gehört habe. Er habe ihn in eine Bar mitgenommen, wo sich alle mit Hitlergruß begrüßt haben sollen.

Der Zweitangeklagte habe ihn dann zu Hause gefragt, ob er eine Mutprobe machen wolle, um auch zur Clique zu gehören, erzählt der Hauptangeklagte am Dienstag. Er solle einen leichten Böller zünden, vor dem Caritas-Flüchtlingsheim in Graz, es könne nicht viel passieren. Der Drittangeklagte habe ihm dann einen Rucksack mit dem Sprengsatz übergeben, den er in der Nacht auf den 11. September 2010 auch gezündet habe.

Kehrtwende: Geständnis zurückgezogen

Nach drei Stunden zog der Mann am Dienstag seine Aussagen allerdings zurück. Er habe die Täterschaft nur erfunden. Nachdem die Richterin unzählige Widersprüche aufzählte, wollte sich der Mann mit seinem Anwalt besprechen. Wenige Minuten später sagte sein Anwalt zur Richterin: „Es hat das alles erfunden. Er war gar nicht vor Ort.“ Es sei der Druck der Vernehmung gewesen, die ihn zu einem Geständnis bewogen habe. Die beiden anderen hätten auch nichts mit der Sache zu tun.

„Ich wollte in Ruhe gelassen werden“, sagte der Beschuldigte. Er habe Angst gehabt, weggesperrt zu werden. „Aber warum gestehen Sie dann etwas, wofür Sie lebenslang ins Gefängnis gehen könnten?“, fragte die Richterin. „Meine Eltern wussten zehn Jahre später nicht mehr, ob ich damals bei ihnen zu Hause war. Sie konnten es nicht mehr bezeugen“, erklärte der 28-Jährige und räumte ein, dass er bei der Vernehmung durch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) möglicherweise etwas falsch verstanden hat: „Ich habe es so verstanden, dass ich meine Unschuld beweisen muss.“ Da er das aber nicht konnte, dachte er „mit einem Geständnis auf Bewährung“ wieder freizukommen. Im Laufe des Dienstagnachmittags vertrickte sich der Angeklagte allerdings in neuerliche Widersprüche, sodass das Gericht nun auch den neuen Aussagen des Mannes keinen Glauben schenkt.

Angeklagte hätten sich von Gedankengut verabschiedet

Der Zweit- und der Drittangeklagte plädieren vor den Geschworenen auf nicht schuldig. Sie sind auch wegen Straftaten gegen das Verbotsgesetz angeklagt, wegen tätowierten NS-Symbolen und Facebook-Postings. Laut ihren Anwälten hätten sie sich längst von diesem Gedankengut verabschiedet. Sie werden am frühen Nachmittag einvernommen.

Das Wohnhaus in Graz war 2006 in Betrieb genommen worden und war ursprünglich für alleinstehende männliche Asylwerber vorgesehen, seit 2008 waren auch Frauen und Kinder dort untergebracht. Am 11. Oktober 2010 kam es schließlich gegen 1.40 Uhr in der Nacht zu einer Detonation am Eingang des nahezu vollbelegten Flüchtlingsheims.

35 Bewohner und eine Betreuerin wurden aus dem Schlaf gerissen; ein damals 49-jähriger Georgier stürzte und verletzte sich, als er nachschauen gehen wollte, ansonsten gab es keine Verletzten. Den damaligen Ermittlungen zufolge hätte das in Anbetracht des rohr- oder dosenförmigen Sprengkörpers aber auch anders ausgehen können, denn im Umkreis von zehn Metern wurden immer noch Granitteilchen in der Größe von bis zu zwei Quadratzentimetern sichergestellt, teils drangen die Splitter sogar tief ins Mauerwerk am Eingang ein.

Die nun angesetzte Geschworenenverhandlung gegen die drei Angeklagten am Landesgericht Leoben wurde für zumindest drei Tage anberaumt. Unter anderem ist die Befragung der Angeklagten und von insgesamt 17 Zeugen vorgesehen. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt