Sabine Mühlhans
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Ohne Erwartung in friedliche Weihnachten

Weihnachten ist ein Fest der Wünsche und Erwartungen – Einsamkeit oder desolate Beziehungen werden gerade in diesen Tagen besonders schmerzlich erlebt. Im Gespräch mit Wolfgang Schaller spricht die psychologischen Beraterin Sabine Mühlhans darüber, wie wir trotzdem harmonisch feiern können.

ORF Steiermark-Chefredakteur Wolfgang Schaller: Der letzte Einkaufssamstag ist Geschichte, die Geschäfte haben geschlossen – jetzt kann man sich auf das Weihnachtsfest konzentrieren. Wo sind denn die größten Fallen, vor denen Sie uns vielleicht bewahren können?

Sabine Mühlhans: „Ja, ich würde gern bewahren. Das wäre so ein Wunsch. Die Geschäfte sind geschlossen, und die Erwartungen sind eröffnet. Ich glaube, dass in einem gewissen Maße genau diese Erwartungen, die man an den Weihnachtsfrieden und in einem gewissen Maße an das Christkind hat, dass genau das die Hürde ist. Ich sehe es so: Wenn man etwas erwartet, dann warte ich und bin quasi abhängig davon, was mir von außen geboten wird. Wird mir Frieden geboten? Weihnachtsfrieden? Oder kommt doch etwas Unruhe auf mich zu?“


Welche Tipps können Sie uns allen geben? Dass nicht nur der Heilige Abend innerhalb der Familien friedlich verläuft, sondern im Idealfall auch die Tage danach? Und wenn’s schon den Weltfrieden nicht gibt, dass man es wenigstens zu Hause schön, angenehm, friedlich hat?

„Friedlich bedeutet für mich vor allem zu Hause: Da sind ja mehrere Menschen, die sich treffen, dass jeder mit sich selbst mal in Frieden ist. Das wäre das Allerschönste. Aber drei Säulen, denke ich, könnten da wirklich helfen, den Frieden zu halten, nämlich wenn sich im Endeffekt keiner kleiner fühlt, als jetzt jemand anderes aus der Familie. Keiner soll sich größer fühlen als andere in der Familie, und nachdem es oft um das Weihnachtsessen geht: Keiner sollte quasi über den eigenen Tellerrand hinausschießen.“


Das heißt Themen, die unter dem Jahr schon für Konfliktstoff sorgen, am Heiligen Abend, zu Weihnachten am besten ausklammern, oder? Da kann man auch über Problemzonen sprechen…

„Ich denke, über Problemzonen sollte man immer sprechen können, und gerade zu Weihnachten ist man ja im Rahmen der Familie. Also sprechen sollte man darüber können. Es geht nur darum, es nicht zu einer Krise werden zu lassen. Das heißt, keinen Konflikt erwarten, und erwarten kann man den Konflikt oftmals erst, wenn man mit sich selbst nicht in Ruhe und Frieden ist, denn dann kann ich mich auch relativ rasch angegriffen fühlen.“


Sollte man sich selbst ein bisschen zurücknehmen?

„Ich weiß, das sagt sich wirklich sehr, sehr leicht – nimm dich doch mal zurück. Das heißt, ich soll mich selbst nicht so wichtig nehmen. Das wäre ja so die Übersetzung, die man dann manchmal gar nicht verstehen will. Aber sich selbst zurückzunehmen bedeutet zu erkennen, dass es nicht immer so wesentlich ist, ob man jetzt im Recht ist oder ob man im Unrecht ist. Man sollte viel öfter mal sagen, es kann auch egal sein, wer im Recht ist, denn was es bedeutet, ist egal. Das heißt, es könnte egal sein. Wähle ich den roten oder den grünen Ball? Wähle ich die linke oder die rechte Stiege im Endeffekt. Das bedeutet, es ist gleichwertig, ob ich A oder B nehme. Gleichwertig bedeutet, es hat den gleichen Wert, und der gleiche Wert bedeutet, es wäre wiederum egal, ob A oder B Recht hat. Das heißt im Grunde, streiten ist nicht nötig.“


Jetzt kommen zu Weihnachten sehr oft mehrere Generationen zusammen, und da entstehen dann natürlich auch Konflikte. Täuscht der Eindruck oder verstehen die Jungen die Älteren nicht mehr so, hat sich das verstärkt über die Jahre hinweg?

„Ja, ich glaube, dass sich das verstärkt hat. Ich glaube, das Verständnis fehlt oftmals in alle Richtungen, aber nicht, weil man sich dafür entscheidet, den anderen nicht verstehen zu wollen, sondern es findet das gemeinsame Leben immer weniger statt, auch unter dem Jahr, und zu Weihnachten dann auf einmal die gleiche Sprache zu sprechen, ist nicht so einfach.“

Sabine Mühlhans

Weihnachten ist ein Fest der Wünsche und Erwartungen – Einsamkeit oder desolate Beziehungen werden gerade in diesen Tagen besonders schmerzlich erlebt. Im Gespräch mit Wolfgang Schaller spricht die psychologischen Beraterin Sabine Mühlhans darüber, wie wir trotzdem harmonisch feiern können.


Jetzt ist eigentlich auch Ostern ein Fest der Familie, wo man zur Osterjause zusammenkommt, auch über die Generationen hinweg. Aber dennoch ist die Erwartung an diese Osterjause offenbar geringer als an das Weihnachtsfest. Woran liegt das?

„Ich glaube, dass das daran liegen könnte, dass Weihnachten das Fest des Friedens ist und Ostern das Fest des Eiersuchens – das ist irgendwie Ostern. Bewegt man sich eher nach draußen, sei es jetzt die Palmweihe im Vorfeld oder der Osterschinken dann, der auch eher zur Geselligkeit aufruft. Und Weihnachten, denke ich, ist so durch dieses Sammeln rund um den Weihnachtsbaum, der ja dann doch nicht… man kennt das ja von dieser ‚Weihnachtsrallye‘, wo dann die einzelnen Familienmitglieder durch die halbe Stadt fahren und überall Stationen haben, und dann versucht man sich doch an einer Stelle zu sammeln, um die ganze Abhandlung zu vereinfachen. Dann sind aber halt viele Menschen, viele Generationen, viele Ideen und viele unterschiedliche Sichtweisen an einem Tisch – das bringt Unruhe.“


Kann es auch sein, dass mir dann auch der Jahreswechsel unmittelbar bevorsteht und man auch schon zu Weihnachten sagen kann, eigentlich viele Dinge, die ich mir für das heutige Jahr vorgenommen habe, haben sich so nicht erfüllt, dass das auch ein bisserl zusätzlich für Druck und dann auch inneren Unmut sorgt?

„Bestimmt. Ich denke mal, dieser Maßstab, der legt sich ja das ganze Jahr rund um uns, und das heißt, wir vergessen uns immer daran zu messen, Ist es jetzt gut, wenn wir darauf vergessen, ist es nicht gut – wir holen es auf jeden Fall meistens zwischen Weihnachten und Neujahr nach. Und dann ist es, so denke ich, wie wenn man auf einen Berg geht: Unterwegs erkennt man nicht, wie weit man gegangen ist oder eben noch nicht gekommen ist. Aber wenn man zurückblickt, und da ist, denke ich, Weihnachten eine Zeit, da blickt man eben eher zurück, denn das Jahr neigt sich dem Ende zu, und dann erkennt man, ob man vieles erreicht oder eben nicht erreicht hat, was man sich vorgenommen hat. Ja, ich denke, das sorgt für Konflikt und Unruhe.“


Ein Tipp der Expertin: Wie sollten wir dem Tag alle zusammen verbringen?

„Begegnen wir uns mit wenig Erwartungen, mit viel Freude auf unser Gegenüber, freuen wir uns einfach auf unsere Familienmitglieder und Freunde. Freuen wir uns auch auf die Nähe, die manchmal zu räumlicher Enge werden kann. Aber ich denke, dass die letzten Jahre vielleicht ohnedies viel zu sehr für Trennung gesorgt haben und für Distanz. Ich denke, Weihnachten ist ein guter Grund, wieder ein Stückchen näher zu rücken, auch in der Akzeptanz der Sichtweise des anderen. Jeder hat das gleiche Recht, wir sind alle gleich viel wert. Ich denke, wir sollten uns auf Augenhöhe begegnen. Mit diesen Sichtweisen, denke ich, kann ein Konflikt oder ein Streit gar nicht entstehen. Es geht darum, sich eher in der Nähe und in der Verbindung wahrzunehmen als im Getrenntsein.“