Der Angeklagte
APA/KARIN ZEHETLEITNER
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GERICHT

Mutmaßlicher Doppelmörder vor Gericht

Am Freitag ist in Graz ein 29-Jähriger vor Gericht gestanden, der im Vorjahr seine Freundin erstochen haben soll. Danach hatte er sich in sein Auto gesetzt und laut Anklage in suizidaler Absicht einen anderen Pkw gerammt. Der Prozess wurde vertagt.

Der Oberösterreicher hatte die Frau laut Anklage Anfang 2023 als Domina in einem Laufhaus kennengelernt und zu ihr dann auch eine private Beziehung aufgebaut – die beide wohnten zusammen.

Doch der 29-Jährige wurde zunehmend eifersüchtiger auf andere Männer, mit denen seine Freundin telefonierte oder chattete; zudem litt er unter psychischen Störungen und Panikattacken.

Mindestens 20 Stiche

Als es im April zu einem Streit kam, weil sie seiner Meinung nach nicht genug auf seine Bedürfnisse eingegangen sein soll, eskalierte die Situation, nachdem ihn die Frau aufgefordert haben soll, die Wohnung sofort zu verlassen: Der Mann holte ein Küchenmesser und stach rund 20 Mal auf die Frau ein.

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Der Obduktionsbericht listet Verletzungen am ganzen Körper auf, zu den Stichen kamen noch zahlreiche Schnitte und Ritzungen. Ein Nachbar hörte die Hilferufe der Frau und verständigte Polizei und Rettung.

Gegen Pkw gekracht

Währenddessen verließ der Mann die Wohnung und fuhr mit seinem Pkw los. Seinen Angaben zufolge wollte er auf die Autobahn und gegen eine Tunnelwand fahren, doch tatsächlich krachte er schon nach kurzer Fahrt mit 130 km/h gegen ein anderes Auto.

Er habe sich eine blutende Wunde am Arm zuhalten wollen und das Lenkrad ungewollt nach links verrissen, lautete seine Rechtfertigung. Der Lenker des anderen Autos überlebte den Zusammenstoß nicht – mehr dazu in Mutmaßlicher Doppelmörder in U-Haft genommen (17.5.2023).

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„Am 22. April 2023 hat er zwei Leben beendet“, stellte die Staatsanwältin am Freitag zu Beginn ihres Eröffnungsplädoyers fest. Sie beschrieb, wie die Beziehung des Mannes zu seiner Freundin „auf der Kippe gestanden ist“. Als sie zu ihm sagte, er könne sofort gehen, kam es zur Eskalation. Laut Anklägerin habe es sich um eine Situation gehandelt, die für einen Femizid typisch sei: „Der Mann ist in einer emotionalen Trennungssituation, gekränkt, wütend, überfordert. Weil er die Trennung nicht akzeptieren konnte, musste sie sterben“.

Hilfe im Krisenfall

Österreichweit und in den Bundesländern gibt es Anlaufstellen, die Rat und Unterstützung im Krisenfall anbieten.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.

„Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte“

Laut seinem Verteidiger ist der 29-Jährige hingegen kein Mörder, „schon gar nicht in zweifacher Hinsicht; er hat aus einem Affekt heraus gehandelt. Er hatte niemanden, mit dem er reden konnte. Keine Freunde. Er behauptet, dass er sich nie von jemandem so verstanden gefühlt habe wie von ihr.“

Er habe sie als Domina kennengelernt, „und sie hat ihn wohl als ein Sozialexperiment gesehen“, so der Verteidiger weiter: „Sie hat die Regeln aufgestellt. Er musste sie als ‚Herrin‘ ansprechen. Er war mit ihr per Sie. Daher konnte er sie auch seinen Eltern nie vorstellen.“

Teilweise geständig

Laut Gerichtspsychiater weist der Oberösterreicher eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit Borderline-Anteilen auf, außerdem leidet er an Panikstörungen. Er wurde zwar als zurechnungsfähig eingestuft, aufgrund seiner krankheitsbedingten Gefährlichkeit sprach sich der Sachverständige aber für eine Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum aus.

Der Angeklagte fühlt sich schuldig des Totschlags im Affekt und der grob fahrlässigen Tötung. Der Prozess wurde vertagt. Nächster Termin ist der 26. Jänner 2024.