Reinhold Lopatka
APA/EVA MANHART
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Politik

ÖVP geht mit Lopatka in die EU-Wahl

Der Steirer Reinhold Lopatka geht als ÖVP-Spitzenkandidat in die EU-Wahl – das hat der Bundesparteivorstand der Volkspartei am Montag einstimmig beschlossen.

Dass der 63-jährige frühere Staatssekretär und derzeitige außenpolitische Sprecher die ÖVP im Juni in die Wahl führen soll, galt bereits seit einigen Tagen als gesetzt. Lopatka selbst hatte APA-Informationen zufolge nicht an dem Treffen in der Politischen Akademie (Polak) in Wien teilgenommen – er soll sich derzeit in Brüssel aufhalten.

"Vollprofi mit dem richtigen Gespür

Lopatka sei ein „außenpolitischer Vollprofi mit dem richtigen Gespür dafür, was es braucht, um die Rolle Österreichs in Europa weiter zu stärken“, so die ÖVP auf X (Twitter).

Er werde sich mit seinem „umfassenden Erfahrungsschatz an außenpolitischer Expertise“ im EU-Parlament für die Werte Frieden, Wohlstand und Sicherheit einsetzen.

„Große Herausforderungen“

In einer ersten Stellungnahme erklärte der bisherige außenpolitische Sprecher der ÖVP im Nationalrat, er wolle die Rolle von nationalen und regionalen Parlamenten bei EU-Entscheidungen stärken. Das Verhältnis von EU-Verordnungen (direkt anwendbar) zu EU-Richtlinien (von nationalen Parlamenten umzusetzen) habe sich im Lauf der vergangenen zwei Jahrzehnte deutlich zugunsten der Verordnungen entwickelt.

Mehr Subsidiarität (höhere politische Ebene entscheidet nur, wenn niedrigere Ebene nicht ausreichend dazu in der Lage ist) bedeute „bürgernahe und bessere Lösungen für die Menschen“, sagte der 63-Jährige. Das Jahr 2024 bringe „große Herausforderungen“, so Lopatka. „Aus österreichischer Sicht sind der notwendige Paradigmenwechsel bei der Migrationspolitik und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union wesentliche Themen.“

Erstmals Spitzenkandidat

Erstmals muss sich der 64-Jährige nun selbst an der Spitze dem Wahlvolk präsentieren. In den vergangenen Jahren hatte die Öffentlichkeit nicht mehr allzu viel von dem Oststeirer mitbekommen, war man nicht in seinem Wahlkreis daheim – da konzentrierte sich der vormalige Generalsekretär und Klubobmann ganz auf seine Aufgabe als außenpolitischer und EU-Sprecher des schwarzen Parlamentsklubs, und er sammelte nebenbei Funktion um Funktion.

Um nur eine kleine Auswahl zu nennen: Lopatka ist Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE und Präsident des Koordinationsmechanismus der UNO für Parlamentarische Versammlungen gegen Terrorismus.

Der Marathon-Mann

Zu so vielen Posten kommt man nicht ohne Fleiß – und für den ist der studierte Jurist und Theologe berühmt. Lopatka gilt nicht nur als Vernetzungskünstler, sondern auch als jemand, der von sehr früh bis sehr spät arbeiten kann und will. Dass sich daneben noch mehr als 100 Marathonläufe für den Vater von drei erwachsenen Söhnen ausgingen, ist beachtlich.

Lopatka wurde zu seinen Studententagen als ein Sprecher der Friedensbewegung dem linken Flügel der Volkspartei zugerechnet, was heute nur noch schwer vorstellbar ist – kaum einer steht so wie er für die Öffnung der ÖVP in Richtung der Freiheitlichen.

Loyalität galt stets der eigenen Partei

Das ist es jedoch nicht, was den Schwarzen bei der Konkurrenz zum „roten Tuch“ macht. Lopatka wird vorgehalten, ein Meister der politischen Intrige zu sein. „Dirty Campaigning“ war ihm, der stets dreinblickt, als könnte er kein Wässerchen trüben, ebenso wenig fremd wie riskante Posten-Poker. Loyalität galt stets der eigenen Partei, weniger einer eingegangenen Koalition.

Sein erstes Meisterstück gelang Lopatka, der schon mit Mitte 20 in den Landtag eingezogen war, bei der steirischen Landtagswahl im Jahr 2000, als er die Volkspartei zu einem elfprozentigen Zuwachs managte – das machte ihn für die Bundespartei attraktiv. Wolfgang Schüssel holte Lopatka als Bundesgeschäftsführer nach Wien, wo er mit einem deftigen Anti-Gusenbauer-Wahlkampf die ÖVP erstmals seit Jahrzehnten an die Spitze der Wählergunst führte.

Die Erfolgswelle brach bei der Wahl 2006, die Volkspartei musste als Juniorpartner in die große Koalition und Lopatka blieb nur ein Staatssekretariat, zunächst für den Sport, später – mit wieder gewonnener Bedeutung – für Finanzen. Als Michael Spindelegger die ÖVP übernahm, schien es mit Lopatka politisch bergab zu gehen: Er musste das Kabinett räumen und sich in den mittleren Reihen des Parlamentsklubs niederlassen.

Ruf des „Ränkeschmieds“

Doch Spindelegger überlegte es sich recht rasch anders und holte Lopatka nach nicht einmal eineinhalb Jahren zurück und das sogar direkt an seine Seite als Staatssekretär im Außenministerium. Ende 2013 wurde er Klubobmann der Volkspartei und navigierte deren Fraktion durch eine schwierige, weil ungeliebte große Koalition. Dass er der SPÖ dabei das Leben leicht machte, wird keiner der damals Beteiligten behaupten.

Lopatka festigte in dieser Phase seinen Ruf als „Ränkeschmied“, eroberte einige Abgeordnete des Team Stronach mit dem angenehmen Nebeneffekt, plötzlich eine schwarz-blaue Drohkulisse in der Hand zu haben. Die Rechnungshof-Spitze taktierte er für seine nähere Landsfrau Margit Kraker und schließlich hatte er eine führende Rolle in der Demontage Reinhold Mitterlehners, die ja die Inthronisierung von Sebastian Kurz zum Ziel und als Folge hatte.

Man sieht sich oft öfter als zwei Mal

Kurz freilich mochte mit Lopatkas Image nichts mehr anfangen, passte dieser doch nicht so recht in den vom neuen Obmann gelobten neuen Stil. Der Politfuchs nahm es hin und konzentrierte sich auf Internationales, was ihm etwa den Titel „Commendatore all’Ordine del Merito della Repubblica Italiana“ als Würdigung seines Einsatzes für die österreichisch-italienischen Beziehungen einbrachte. Freilich blickt er auch über die größeren Teiche: Seit vielen Jahren ist er Präsident der österreichisch-australischen Gesellschaft.

Was den demnächst anlaufenden EU-Wahlkampf angeht, heißt es für Lopatka: Man sieht sich im Leben nicht nur zwei, sondern manchmal auch drei Mal. Denn mit SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder saß Lopatka schon gemeinsam als Staatssekretär im Finanzministerium und man focht als Koalitions-Klubobleute auch diverse Sträuße aus. Bei dieser Wahl wäre es aus beider Sicht wohl klug, für einmal nicht nur aufeinander zu schauen, sondern auch einen Blick nach rechts zu werfen, wo die FPÖ mit Spitzenkandidat Harald Vilimsky die Umfragen anführt.