Landesgericht Graz, Akten
APA/Erwin Scheriau
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Chronik

120 Euro Strafe für „Wiesenpinkler“

Das Landesverwaltungsgericht hat sich am Montag mit einer Anstandsverletzung befasst: Ein 63-Jähriger soll in eine Wiese uriniert haben, was laut Bezirkshauptmannschaft eine Verwaltungsübertretung darstellt. Das Erkenntnis des Gerichts: Der Kärntner muss 120 Euro wegen „Verletzung der Schicklichkeit“ bezahlen.

Im Raum stand der Vorwurf der Anstandsverletzung nach dem steiermärkischen Landessicherheitsgesetz. Darunter ist ein Verhalten zu verstehen, das – so im Gesetz wörtlich – „mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht“.

Ist öffentliches Pinkeln eine Anstandsverletzung?

Im konkreten Fall urinierte der 63 Jahre alte Kärntner im Zuge eines Ausflugs in der Südsteiermark an einem öffentlichen Ort in eine Wiese – nach Angaben des Mannes an einer Stelle weit abseits der Hauptstraße und verdeckt vom eigenen Fahrzeug; unmittelbar daneben habe sich nur eine Bauruine, etwas weiter entfernt ein Bürogebäude befunden. Aus eben diesem Gebäude sei plötzlich ein Mann auf ihn zugestürmt und habe zu schimpfen begonnen, schilderte der 63-Jährige gegenüber dem ORF Steiermark seine Sicht der Dinge.

Letztlich ging eine Anzeige bei der Polizei in Straß ein, und der Beschuldigte erhielt Post von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz, mit der Aufforderung, eine Geldstrafe zu bezahlen. Der 63-Jährige erhob dagegen Einspruch und ärgert sich nun, „mit welchen Banalitäten ein österreichisches Gericht beschäftigt wird“.

„Wenn ich muss, dann muss ich“

Genau dort, beim Landesverwaltungsgericht in der Grazer Salzamtsgasse, sieht man selten einen vergleichbaren Medienauflauf. Der Kärntner sagte nun aus, dass er damals – im November 2020 – in Vogau ein dringendes Bedürfnis verspürte: Er habe kein offenes Lokal gefunden, und da seine Blase schon leicht schmerzte, fuhr er in eine Seitengasse. Seiner Freundin sei schlecht gewesen, und er leide altersbedingt an einer schwachen Blase: „Wenn ich dringend muss, dann muss ich“, sagte der 63-Jährige am Montag.

Es sei an einem Wiesenrand gewesen, vom Auto verdeckt, mehrere Meter von einem Bürogebäude entfernt – niemand sei da gewesen. Er sieht sich nicht als unschicklicher Mensch, er liebe die Südsteiermark und die Natur, sei unbescholten und friedlich.

„Ich lasse mich nicht beschimpfen“

Beim Tatort der Pinkelaffäre widersprach allerdings der Anzeiger: Der damalige Firmenbesitzer habe gesehen, wie ein Auto an seinem Büro vorbeifuhr, und er habe nachgeschaut – der Beschuldigte habe sich gerade von den Mistkübeln weggedreht und seine Hose zugemacht. Das sei vor einem Rohbau, gleich neben dem Büro gewesen – jeder hätte ihn dort sehen können.

Daraufhin habe er dem Kärntner gesagt, warum er nicht angeläutet und gefragt hat, ob er im Büro aufs WC gehen könnte – und dann sei die Lage eskaliert. Der 63-Jährige habe ihn beschimpft, und das sei der Grund gewesen, ihn anzuzeigen: Er lasse sich nicht beschimpfen, so der Mann – und mit einer Entschuldigung wäre alles aus der Welt geschafft.

„Verletzung der Schicklichkeit“

Beim Landesverwaltungsgericht ging man pragmatisch an die Sache heran, und gelassen verhandelte die Richterin, die heikle Begriffe mit eleganten Formulierungen umschrieb. Das Erkenntnis: 120 Euro Strafe wegen „Verletzung der Schicklichkeit“, die der 63-Jährige bezahlt.