Eine Kopie jenes STAPO-Aktes, der über Ex-Buergermeister Helmut Zilk berichtet, aufgenommen am Mittwoch, 25. März 2009, im Staatsarchiv in Wien.
APA/Helmut Fohringer
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Wissenschaft

Kalter Krieg: Uni Graz forscht zu Spionage in Österreich

Ein Forschungsprojekt der Universität Graz ist der Spionage in Österreich in Zeiten des Kalten Krieges auf der Spur. Es geht um die Rolle Österreichs speziell für Nachrichtendienste aus der Tschechoslowakei. Interesse bestand an Informationen, die Operationen erleichterten.

Österreich gilt oft als Hotspot für Spionage im Kalten Krieg. Ein noch bis August 2024 laufendes Forschungsprojekt der Uni Graz nahm sich dieses Themas an. Ein Augenmerk legt das Team rund um die Historikerin Barbara Stelzl-Marx auf Spione aus dem Vorläuferstaat Tschechiens und der Slowakei, denn die sollen hier in den Nachkriegsjahren besonders aktiv gewesen sein.

Keine Agenten, sondern „normale Leute“

Dabei dürfe man sich die Arbeit für den Geheimdienst nicht wie einen Agentenfilm vorstellen. Oft hätten „ganz normale Leute“ Informationen recherchiert und weitergeleitet. Den durchschnittlichen Spion, so Stelzl-Marx, habe es aber nicht gegeben: „Tschechoslowakische- wie Westdienste rekrutierten durch alle Schichten und in allen gesellschaftlichen Kreisen.“ Lediglich Regierungsmitglieder oder Vorstände von großen Wirtschaftsunternehmen seien kaum bis nie involviert gewesen – wobei auch diese über Assistenten oft erfolgreich bespitzelt worden seien. In der Öffentlichkeit stehende Personen wie der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, der unter dem Deckname „Holec“ auch geheimdienstlich arbeitete, seien die Ausnahme gewesen.

Bisher einseitiges Bild von Spionage

Mit Material unter anderem aus zwei Archiven in Brünn und Prag sowie Akten der damaligen US-Spionageabwehr, des britischen Geheimdienstes und der „Intelligence Organisation Austria“ verfolgt das Team einen komparatistischen Ansatz. Zuvor haben viele Spionage-Studien laut der Historikerin lediglich Akten einzelner Dienste untersucht. „Dies ergab zumeist ein einseitiges Bild mit vielen Lücken.“ Allein die Betrachtung von Unterlagen verschiedener Institutionen, beispielsweise Nachrichtendienst und Spionageabwehr, würde inkorrekte Einschätzungen zu Geheimdienst-Aktivitäten verringern.

Informationen über Polizei, Bundesheer und Grenzschutz

Oft seien kleine Puzzlestücke durch die Dienste gemeldet worden, beispielsweise welche Züge über Österreich in die Sowjetunion fuhren. Aber nicht nur Wien war laut Stelzl-Marx von Interesse. Als Teil der US-Zone in der „Besatzungszeit“ sei Salzburg ein wichtiges Zentrum gewesen und Linz vor allem für Technologie- und Industriespionage wesentlich. Darüber hinaus habe Interesse an allen Informationen bestanden, die Operationen im Land erleichterten – also über die österreichische Polizei und Bundesheer oder Grenzschutz und Diplomatie.

Spionieren für das Ego

Die Historiker versuchen, gängige Motivationen festzumachen, aus denen sich Menschen aus der Tschechoslowakei in den Geheimdienst begaben. Bisherigen Ergebnissen zufolge war Ideologie weniger wichtig als angenommen und Geld nur ein Teilfaktor. Wesentlich sei das Ego gewesen, vor allem bei „Personen, die sich zurückgesetzt, übergangen fühlten, beispielsweise bei Beförderungen“, so die Historikerin. Erpressung hätte zu Beginn kaum eine Rolle gespielt, aber teilweise später, als manche ihren Dienst quittieren wollten.