Jamtal Gletscher
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Wissenschaft

Kriechende Gletscher als Klimahinweis

Die Kriechgeschwindigkeit von Blockgletschern lässt Rückschlüsse auf das Klima zu: Zu dieser Erkenntnis kamen Forscher vom Institut für Geografie und Raumforschung der Universität Graz in einer internationalen Studie. Laut dieser nahm das Tempo seit den 1990er Jahren zu.

Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Wissenschaftsjournal „Environmental Research Letters“ veröffentlicht und zeigen, dass die Bewegungsraten von Blockgletschern in den Alpen mit klimatischen Bedingungen zusammenhängen, hieß es.

Je nach Eisgehalt

Blockgletscher sind Gemische aus Schutt und Eis, die sich wie Lavaströme Richtung Tal bewegen und nicht mit normalen Gletschern zu verwechseln sind. In ihrem Inneren taut es das gesamte Jahr über nicht auf. Aktiv kriechende Blockgletscher sind in den Alpen ab einer Seehöhe von etwa 2.300 Meter zu finden. „Solange ihr Eisgehalt hoch genug ist, bewegen sich diese Permafrostformen talabwärts“, erklärte der Erstautor der Publikation, Andreas Kellerer-Pirklbauer, in einer Aussendung der Uni.

Für gesamten Alpenraum

Die internationale Studie belege anhand langfristiger Beobachtungsdaten nun erstmals für den gesamten Alpenraum, dass die Blockgletschergeschwindigkeit, die seit den 1990er Jahren insgesamt zugenommen hat, ein zuverlässiger Klimaindikator ist, sagte der Forscher.

Für die Studie haben 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, unter anderen auch Kollegen der Technischen Universität Graz, der Universität Innsbruck sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Beobachtungsdaten aus Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz von 1995 bis 2022 herangezogen, homogenisiert und sie verglichen.

Geschwindigkeit klimatisch gesteuert

Die Arbeit nimmt Blockgletschergeschwindigkeiten im ganzen Alpenbogen unter die Lupe. „Die Analyse ergab unter anderem, dass sich der westlichste und der östlichste der über 40 Blockgletscher, die von uns erfasst wurden, harmonisch zueinander bewegen. Das heißt, sie beschleunigen und verlangsamen sich zur gleichen Zeit in ähnlichem Maße, obwohl sie 570 Kilometer voneinander entfernt sind“, erklärte Kellerer-Pirklbauer ein für ihn bemerkenswertes Ergebnis.

„Das zeigt ganz klar: Ihre Geschwindigkeit ist klimatisch gesteuert. Somit liefert unsere Arbeit erstmals den Beleg dafür, dass die Blockgletscherbewegung einen Aspekt der ‚Essential Climate Variable‘ (ECV) Permafrost beschreibt und entscheidend zur Charakterisierung des Erdklimas beiträgt“, so der Forscher weiter. Die ECVs wurden durch das Global Climate Observing System (GCOS) definiert, um ein Bild des weltweiten Klimawandels zu liefern.

Mehr Tempo

Klar wurde auch, dass die Gletscherbewegungen seit den 1990er Jahren insgesamt steigen, auch wenn es zwischendurch Phasen der Verlangsamung gibt. „Höhere Temperaturen und mehr Bodenfeuchtigkeit beschleunigen die Bewegung der interessanten Schutt-Eis-Gemische. Wird es kälter, nimmt die Geschwindigkeit ab. Aber auch wenn der Eisgehalt unter eine bestimmte Grenze fällt und sich die innere Reibung erhöht, verlangsamt sich die Kriechrate. Schmilzt das Permafrosteis komplett ab, kommt die Landschaftsform zum Stillstand und wird zu einem Relikt einstiger Permafrostausdehnung“, so Kellerer-Pirklbauer.

Drei Phasen mit schnellerer Bewegung waren in den Jahren 2000 bis 2004, 2008 bis 2015 und 2018 bis 2022 zu beobachten. „Das passt auch zu den klimatischen Bedingungen dieser Jahre“, so der Forscher.

Die Studienautorinnen und -autoren regen an, weitere Blockgletscher ins Langzeitmonitoring aufzunehmen. Diese Daten könnten zusätzlich wertvolle Informationen über die Auswirkungen der zu erwartenden Klimaentwicklung liefern.