Tabletten, Sujet, Medikamente
ORF/Zita Klimek
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Gesundheit

Immer mehr Jugendliche medikamentensüchtig

Medikamentenmissbrauch – speziell der Missbrauch von leicht erhältlichen Beruhigungsmitteln – nimmt zu, vor allem auch unter Jugendlichen. Betroffene geraten dabei rasch in einen Teufelskreis.

Sie nehmen sie zur Entspannung, zur Beruhigung, zur Flucht vor einer krisengebeutelten Welt: In Österreich sind fast 300.000 Menschen medikamentenabhängig – das entspricht in etwa der Einwohnerzahl von Graz.

Die Stadt Wien reagiert nun mit einer Taskforce auf diese gefährliche Entwicklung. Anlass ist der Fall eines 14-jährigen Mädchens, das mit Arzneimitteln im Blut tot aufgefunden wurde – mehr dazu in Beruhigungsmittel boomen bei Jugendlichen (wien.ORF.at).

Das greife jedoch zu kurz, meint Ulf Zeder, Suchtkoordinator der Stadt Graz: Angesichts der vielen Krisen und der zunehmend gespalteten Gesellschaft müssten Dialog und Aufklärung stattfinden.

„Noch anfälliger, etwas zu schlucken“

Die sogenannte stille Sucht, die sauber in Blistern verpackt daherkommt, treffe auf eine verunsicherte Jugend, sagt Zeder: „Junge Leute, die unter den beschissenen Covid-Jahren ziemlich gelitten haben, was Sozialisation und Freundschaften anbelangt, sind noch anfälliger dafür, etwas zu schlucken, was jemand empfiehlt, weil es schön beruhigt. Und gerade junge Menschen sagen: Ich habe gehört, wenn ich die lila Tablette mit der rosa kreuze und dazu noch etwas trinke, dann fährt das drei Mal so gut.“

„Da kommt man in einen Teufelskreis“

Beruhigungsmittel seien leichter zu bekommen als andere Drogen, und die Gesellschaft schaue zunehmend weg statt hin, so Zeder: „Die ganzen psychosozialen Stützfaktoren, die wichtig gewesen wären, damit man gut ohne leben kann, sind nicht vorhanden. Da kommt man in einen Teufelskreis“ – und zwar in jenen der Abhängigkeit, sagt der Suchtkoordinator, die sich bei Einnahme von Beruhigungsmedikamenten nach maximal vier Wochen einstellt.

„Dialog als Wertschätzung“

In Wien will man dem jugendlichen Medikamentenmissbrauch mit Arbeitsgruppe und Taskforce entgegensteuern: „In Wien ist es über Anlassfälle losgetreten worden, da ist viel Hysterie im Spiel. Man macht eine Taskforce. Aber meine Voraussage ist, dass es an basalen Dingen mangelt“, sagt Zeder – und er meint: „So kitschig es klingt: Man braucht, egal wie alt man ist, Zeit, Zuwendung und Zärtlichkeit von seiner Umwelt.“ Gerade auch junge Menschen brauchen den Dialog als Wertschätzung und Orientierungsrahmen, so der Suchtkoordinator.