Kippa in dem Farben der israelischen Fahne
APA/dpa/Peter Steffen
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SOZIALES

Krisen lassen Antisemitismus auflodern

Laut Antisemitismus-Meldestelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ist die Zahl antisemitischer Vorfälle seit dem Angriff der Hamas auf Israel rasant gestiegen. Juden und Jüdinnen auch in der Steiermark fühlen sich zunehmend bedroht, bestätigt nun ein Experte.

Antisemitismusvorfälle haben sich laut den Zahlen der Antisemitismus-Meldestelle mittlerweile verfünffacht; Waren es bis 7. Oktober 2023 im Schnitt zwei Fälle pro Tag, die gemeldet wurden, sind es jetzt knapp mehr als acht pro Tag.

„Nicht nur Gefühl, sondern Bedrohungsszenario“

Vor allem Sachbeschädigungen und Hassnachrichten auf Sozialen Medien seien stark angestiegen. Die Zahlen würden sich mit dem decken, was man gesellschaftlich, an Schulen und Universitäten deutlich spüren würde, so Gerald Lamprecht, Professor für jüdische Geschichte und Zeitgeschichte an der Universität Graz und Koordinator für Antisemitismusforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

„Zunehmend fühlen sich viele Juden und Jüdinnen unsicher. Das ist mehr als nur ein Gefühl, sondern tatsächlich das Bedrohungsszenario, sodass zum Teil alles unternommen wird, um nicht als jüdisch wahrgenommen zu werden – das Verstecken des Tragens einer Kippa beispielsweise“, so Lamprecht.

Anschwellen angesichts von Krisen

Vor allem im Zusammenhang mit Krisen zeige sich ein deutliches Anschwellen von Antisemitismus, so der Experte: „Der Antisemitismus ist sicher eine simplifizierende Welterklärungserzählung, die es für Antisemiten möglich macht, komplexe Sachverhalte scheinbar einfach erklären zu können, indem man die Schuld einer Gruppe zuweist. Die sind schuld. Also muss man gegen die entsprechend vorgehen.“

Schon die CoV-Pandemie habe gezeigt, wie rasch Antisemitismus wieder verstärkt auflodere, so Lamprecht: „Ein Punkt, den man schon ganz klar benennen muss: Der Antisemitismus in Österreich, aber auch europaweit, verschwindet mit dem 8. Mai 1945 nicht. Antisemitismus hat eine Kontinuität, ist tief verwurzelt in der österreichischen Kultur, in der österreichischen Geschichte. Das heißt, alles, was wir in den letzten Monaten erleben müssen, ist letztendlich nicht so, dass hier komplett Neues entsteht, sondern im Prinzip: Diese Form des Antisemitismus war immer vorhanden.“

Gespräche schwierig

Auffallend sei derzeit, dass Gespräche sehr schwierig seien, sagte Lamprecht, weil viele gerade beim Konflikt zwischen der Hamas und Israel Angst hätten, eine Aussage sei sofort mit einer Positionierung für die eine oder andere Seite verbunden.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hieß am Donnerstag die Gäste des Jewish Welcome Service in der Wiener Hofburg willkommen. „Es ist gut, dass Sie die Tradition von Begegnung und Austausch fortführen“, sagte er zu den Nachfahrinnen und Nachfahren von vor den Nazis geflohenen Jüdinnen und Juden. Den aktuell grassierenden Antisemitismus bezeichnete er als „unerträglich“ – mehr dazu in Van der Bellen nennt Antisemitismus „unerträglich“.