Gericht

Prozess: Zustellerin ließ Einschreiben verschwinden

Weil sie mit der Zustellung überfordert war, hat eine Postzustellerin in Graz im Jahr 2023 innerhalb von vier Monaten 23 Einschreiben verschwinden lassen. Der Richter beließ es beim Prozess am Montag bei der Mindeststrafe von sechs Monaten bedingt.

Die 22-Jährige brach gleich zu Beginn der Verhandlung in Tränen aus, sie war nervlich sichtlich angespannt. Dann schilderte sie, wie sie bei der Post begonnen hatte und nach zweiwöchiger Einschulung ein eigenes Zustellgebiet erhalten hatte. Sie begann um 6.30 Uhr mit dem Einfächern der Post, dann sollte die Zustellung bis längstens 17.00 Uhr erledigt sein – doch das ging sich nicht immer aus, und so begann sie, Briefe zu Hause, im Dienstfahrzeug oder der Depotstelle zu verstecken.

„Es gibt keine Hilfe für Postzusteller“

Sie hatte aufgrund finanzieller Probleme ihre Wohnung verloren und zog wieder nach Hause, doch ihre Mutter verabschiedete sich schon bald: „Ich weiß bis heute nicht, wo die Mama ist“, erzählte sie. Sie musste für ihren 17-jährigen Bruder sorgen, und irgendwann wurde alles zu viel: Sie schaffte es zeitlich kaum, die Briefe einzufächern und bekam Hilfe von Innendienstmitarbeiterinnen und -mitarbeitern. Doch ihre Chefin stellte das bald wieder ab. „Sie hat gesagt, es gibt keine Hilfe für Postzusteller“.

23 RSA- und RSB-Briefe nicht zugestellt

Sie beteuerte, dass sie nie Briefe geöffnet oder Unterschriften gefälscht habe, sie machte den Vermerk „verzogen“ und ließ die Poststücke verschwinden. „Es tut mir von Herzen leid. Ich hoffe, dass niemand einen Schaden erlitten hat“, sagte sie. Sie sei einfach überfordert gewesen, in knapp vier Monaten waren bereits 130 Überstunden zusammen gekommen. Ein Zeuge von der Post gab an, man könne sich jederzeit „an den Gruppen- oder Standortleiter wenden“, sobald Probleme auftauchen würden.

Absolute Mindeststrafe – nicht rechtskräftig

Der Richter verhängte bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahre die absolute Mindeststrafe, und auch diese nur bedingt. Eine Diversion war nicht möglich, da die Angeklagte bereits einmal eine erhalten hatte. „So etwas wird nie wieder vorkommen“, beteuerte sie. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.