Symbolbild Gewalt mit Händen an Kopf
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Politik

Jugendkriminalität: Unterschiedliche Ansätze

Eine Expertenrunde hat sich mit der Frage beschäftigt, was man gegen die steigende Jugendkriminalität tun kann – am Montag wurden die Ergebnisse präsentiert. Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) sprach sich für „geschlossene Wohneinheiten“ aus, Fachleute plädieren aber gegen ein Herabsetzen der Strafmündigkeit.

Nach seiner Ankündigung vor drei Wochen, dass jugendliche Straftäter „alt genug, um zur Rechenschaft gezogen zu werden“ seien – mehr dazu in Strafmündigkeit: Drexler stellt Altersgrenze infrage (18.3.2024) –, fordert Drexler nun – neben härteren Strafen – Maßnahmen wie „geschlossene Wohneinheiten für besonders auffällige Jugendliche“. Sowohl strafmündige als auch noch jüngere Buben und Mädchen sollen dort unter Aufsicht untergebracht werden können.

„Sehnsucht nach mehr Konsequenzen vor dem Strafrecht“

Die gesetzlichen Grundlagen dafür fehlen noch, aber ein Konzept unter Berücksichtigung der Bundesgesetze soll erarbeitet werden: „Es gibt eine Sehnsucht nach mehr Konsequenzen schon vor dem Strafrecht.“ Diese Wohneinrichtungen „erscheinen mir schlüssig“, sagte Drexler und betonte, es gehe nur um „dramatische Einzelfälle“.

Bis auf Fälle mit Kindern mit psychischen Beeinträchtigungen gibt es derzeit keine Möglichkeit für eine solche Unterbringung mit Aufenthaltspflicht. Die Jugendlichen sollen in diesen „Erziehungsheimen“ einem geregelten Ablauf und Beschäftigung nachgehen sowie Begleitung und Betreuung aus verschiedenen Fachgebieten erhalten. Das alles soll auf Basis behördlicher Anordnung als Prävention, bevor schwere Straftaten passieren, eingesetzt werden.

Drexler für „breite Debatte über das Strafrecht“

Darüber hinaus solle es eine „breite Debatte über das Strafrecht“ geben, sagte der Landeshauptmann und pocht auch auf härtere Strafen für junge Gewalttäter: Hintergrund sei die Auffassung der Expertenrunde, wonach die generalpräventive Wirkung nur gering sei, aber Spezialprävention „beachtlich“ wirke.

Drexler wünscht sich daher vom Bund, dass der Strafrahmen bei Verbrechen, also schweren Straftaten, überarbeitet wird. Die Mindeststrafen müssten angehoben werden, so seine Ableitung aus dem Expertengespräch, das bereits am Freitag stattgefunden hatte. Der steirische ÖVP-Chef betonte, dass es sich bei seinen Forderungen um seine persönlichen Schlüsse handle und es kein Ergebnis der Expertenrunde sei.

Ganz ohne den Bund kann und will der Landeshauptmann als weitere Maßnahme eine Koordinationsstelle beim Land einrichten. Das soll zeitnah geschehen, um die beteiligten Stellen wie Polizei, Justiz, Kinder- und Jugendhilfe, Kriminalprävention und Vereine wie Neustart zu vernetzen – das sei bisher zu schwach ausgeprägt, so Drexler. Künftig sollen alle regelmäßig an einen Tisch gebracht werden. Die Koordinationsstelle solle von einer Person geleitet werden, die sich darum kümmere, so Drexlers Idee.

Experten gegen Herabsetzen der Strafmündigkeit

Drexler will eine breite Debatte über das Strafrecht anstoßen, auch soll ein Konvent abgehalten werden: Dazu gehöre für ihn, sagte er, unverändert die Frage, ob das Alter der Strafmündigkeit in Österreich richtig gesetzt ist. Für die ebenfalls in die Expertenrunde geladene steirische Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffer-Barac ist das Herabsetzen der Strafmündigkeit – zum Beispiel auf zwölf Jahre – jedoch „nicht das erste Mittel der Wahl“, das würden auch alle anderen Experten in der Runde betonen.

Denn das „Strafalter herabsetzen wird an den Delikten selbst wenig bis gar nichts ändern, und daher braucht es diese anderen Maßnahmen – die sind entscheidend“, so Schiffer-Barac. Es gehe dabei um „Prävention, Intervention und eine stärkere Einbindung der Eltern“.

Expliziter war dagegen die Forderung Drexlers nach der Möglichkeit einer richterlich angeordneten Überwachung von Internetkommunikation, die derzeit nur schwer bis gar nicht möglich ist. Der in diesem Zusammenhang oft vorgebrachte Datenschutz dürfe nicht nur ein Täterschutz sein – der Bund müsse daher das Datenschutzrecht noch einmal genau prüfen.

Polizei setzt auf Interdisziplinarität

Landespolizeidirektor Gerald Ortner kündigte am Montag die Einführung einer landesweiten „Einsatzgruppe gegen Jugendkriminalität“ an – das sei eine polizeiinterne „interdisziplinäre Organisation“, da sich ja unter dem Titel „Jugendkriminalität“ unterschiedlichste Delikte und Straftaten befänden. In Graz habe man damit seit einem Jahr bereits gute Erfahrungen gemacht, so Ortner.

Das Strafrecht – und damit auch das Jugendstrafrecht – ist grundsätzlich Sache des Bundes. Die Forderungen nach einer Gesetzesänderung kann Landeshauptmann Drexler aber bereits am Donnerstag persönlich mit Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) besprechen: Karner wird an diesem Tag in Graz selbst zum Thema „Polizeiliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität“ Stellung nehmen.