ORF Ballon 1994
Michael Knaller
Michael Knaller
ORF Steiermark

Tag 28 oder „Zeitreise“

Um den Sendebetrieb und die mediale Versorgung sicherzustellen, sind erneut rund ein Dutzend Mitarbeiter – vom Moderator bis zum Techniker – isoliert in das ORF-Landesstudio Steiermark eingezogen. Hier finden Sie ihr Tagebuch.

Manchmal gibt es Umstände, die sich nicht einfach mit Zufall erklären lassen. Zum Beispiel, dass während ich im Funkhaus einquartiert bin, meine Mutter die Zeit des erzwungenen Zuhause Bleibens nutzt, um die Wohnung zu entrümpeln. Gut, das machen zurzeit viele. Aber sie fördert dabei längst vergessene Schätze zu Tage. Meine alten Hefte aus der Volksschulzeit kamen so zum Vorschein. Darin versteckte sich u. a. diese Geschichte, die ich mir als 9-Jähriger ausgedacht hatte:

Der Reporter Luftballon „Gasi“ auf Euro-Tour

Gasi – das ist der Abenteurer, der diese Geschichte für den ORF erlebt hat. Ich erzähle euch die Geschichte, aber am besten von vorne:

Mittwoch, 22. Juni 1994: „Gasi wurde in einer Luftballon-Fabrik erzeugt. Als Gasi unaufgeblasen zum ORF kam, sollte er aufgeblasen und beim Eingang zum ORF Zentrum aufgehängt werden. Wie er aber eine Gasflasche mit einem ‚Aufblasgerät‘ erblickte, dachte er sich: ‚Wenn ich mich aufblase und mir eine Schnur anhänge mit einer…‘ Weiter kam er nicht. Denn eine dicke Dame blies ihn mit dem ‚Gasaufblasegerät‘ auf. Er bekam eine Schnur und wurde beim Eingang vom ORF-Zentrum aufgehängt.

Als er hing, riss er sich in die Höhe und seine Schnur riss ungefähr neun Zentimeter nach dem Knoten ab. Gasi flog hoch bis er eine Mini-Kamera sah. Er flog zu ihr und verhängte sich absichtlich an der Kamera. Er zog und zog und plötzlich ging’s „kracks!“ und der Kunststoffstiel, an dem die Mini-Kamera befestigt war, brach ab. Gasi knotete sich die Kamera an die Schnur und raste weg.

ORF Ballon 1994
Michael Knaller

Er flog über den Grazer Uhrturm, die Grazer Liesl, den Grazer Dom, Wiener Prater, Wiener Stefans Dom, über die Donau, quer durch Deutschland, über den Bodensee in die Schweiz, nach Frankreich, über den Eifelturm, nach Spanien, sah einen Stierkampf, bog ab nach Italien, flog über Rom, nach Pisa, zog dort am Schiefen Turm, flog versehentlich nach Jugoslawien wo er fast zerfetzt worden wäre. Als er dann wieder in Österreich war kam er nach Graz wo er sofort ins ORF-Zentrum flog um seinen Film zuzuschneiden.

So wie er den Film zurecht geschnitten hatte strahlte er ihn aus (der Film kam ins Fernsehen). Nach 60 Minuten – so lange dauerte der Film – war wieder normales Programm. Gasi wollte gerade starten und einen neuen Film machen, da kam der ORF Präsident und wollte ihm für den guten Film eine Auszeichnung geben, da flog Gasi, weil er dachte, dass der Präsident ihn erstechen wollte, weg. Aber als er durch die Innenstadt flog, schaute er zurück und da geschah es: Gasi verhängte sich am Türken (eine Figur unter dem Dachüberstand am Palais Saurau in der Grazer Sporgasse) und blieb hängen und konnte nicht mehr weg. Da blieb ihm nichts anderes übrig als dort jeden zu filmen der vorbeiging. Und wenn er nicht zerplatzt ist filmt er noch heute."

Schulheft
Michael Knaller

Auch wenn man bedenkt, dass der Text noch vor der Rechtschreibreform von 1996 entstanden ist, habe ich mit Rechtschreibfehlern nicht gespart. Im Gegensatz zu den Beistrichen. Mein damaliger Lehrer hat aber gnädig über einiges hinweggesehen, so auch über den „Eifelturm“.

Dass der Luftballon über Jugoslawien fast abgeschossen wurde macht auch deutlich, wie tief die Zeit von 1991-1995 geprägt war von den Kriegen zwischen Serbien, Kroatien und Bosnien. Dieser Luftballon war ein absoluter Tausendsassa. Sogar die Fernsehübertragung konnte er kapern. Eine Auszeichnung ist klarerweise immer ein Orden mit Anstecknadel. Kein Wunder, dass der Luftballon die Flucht ergreift.