Der beschuldigte Arzt vor Gericht
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Chronik

Kritik nach Urteil gegen oststeirischen Arzt

Nach dem Schuldspruch gegen jenen Arzt, der jahrelang seine vier Kinder gequält haben soll, bleibt das Berufsverbot gegen ihn vorerst aufrecht. Kritik am Urteil kommt von den Kindern und dem Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF).

Bei dem Prozess gegen den oststeirischen Arzt handelt es sich wohl um einen der aufsehenerregendsten Prozesse der jüngeren Geschichte: Der Mann soll seine vier Kinder jahrelang gequält haben, unter anderem mit regelmäßigen Selbstmorddrohungen.

Bedingte Haft und Geldstrafe

Am Donnerstag wurde der Arzt zu einer bedingten Haftstrafe von vier Monaten und zu einer Geldstrafe von 1.920 Euro – 480 Tagsätze von je vier Euro – verurteilt, zusätzlich erhält jedes Kind 1.000 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig: Der Angeklagte erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt gab keine Erklärung ab – mehr dazu in Kinder gequält: Oststeirischer Arzt verurteilt.

Das erstinstanzliche Urteil hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf das im Jänner 2017 vom Land verhängte Berufsverbot: Es bleibt aufrecht, bis das Urteil rechtskräftig ist – das bestätigte die Behörde bereits am Donnerstag –, und dann ist in weiterer Folge die Ärztekammer für den Fall zuständig.

Bericht: Weiteres Berufsverbot „unumgänglich“

Der Arzt hatte gegen dieses vorläufige Berufsverbot berufen – es folgte ein behördeninternes Verfahren, und seit Anfang der Woche liegt dazu auch ein 70-seitiger Bericht vor: Dieser stellt einen massiven Verdacht auf grobe Verfehlungen des Arztes im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit und bei der Führung der Hausapotheke fest. Für die Behörde, so die Auskunft gegenüber Ö1, ist auch in Zukunft ein Berufsverbot „wegen negativer Prognose“, wie es heißt, unumgänglich.

Kinder: „Strafausmaß eigentlich ein Hohn für uns“

Die Anwältin der Kinder und die Ex-Frau des Angeklagten beklagten sich gleich nach der Urteilsverkündung, dass das Urteil viel zu milde sei. Der Richter führte in seiner Begründung allerdings aus, dass es dem Arzt seiner Ansicht nach nicht um das Quälen der Kinder gegangen sei – vielmehr tue er sich nur schwer, sich in andere hineinzufühlen. So hatte es auch die Sachverständige formuliert.

Die Kinder meldeten sich am Freitag in einer Aussendung zu Wort: Die Teilverurteilung sei zwar eine „späte erste Genugtuung“, aber vieles sei nicht angeklagt oder untersucht worden. „Das Strafausmaß selber hätte aber nicht mehr geringer sein können und ist eigentlich ein Hohn für uns“, so eine Tochter. Vier Euro Tagsatz bei einem gerichtlich angenommenen Immobilienvermögen von rund vier Millionen Euro sei „abenteuerlich“. Das Urteil erscheine ihnen „ein extra-mildes Urteil für einen prominenten Täter“ zu sein.

AÖF: „Gewalt an Frauen und Kindern wird verharmlost“

Kopfschütteln löste das Urteil bei SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim aus: Die Strafe stehe in keinem Verhältnis zur Traumatisierung, die die Kinder erlitten haben. Auch vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) kam Kritik: Gewalt an Frauen und Kindern werde verharmlost. „Seit der Familienrechtsreform 1978 ist die Züchtigung von Frauen und Kindern verboten. Ebenso sind Nötigung und gefährliche Drohung laut Gesetz strafbare Handlungen. Aber nach wie vor wird Gewalt an Frauen und Kindern durch die Justiz ignoriert oder verharmlost“, lautet der Vorwurf in der Aussendung des Vereins.

Außerdem scheine es, „dass privilegierte bzw. prominente Täter mit einem entsprechenden finanziellen Background und (politischen) Beziehungen es sich richten können“, meinte der Verein weiter. „Hier gibt es offenbar eine Zweiklassenjustiz“, so eine Tochter.

Noch keine Entscheidung über weitere Vorgangsweise

Die Staatsanwaltschaft hat indessen noch nicht entschieden, ob sie ein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegt – Zeit dafür ist bis Montag. Auch der Arzt hat bis Montag Zeit, um das Urteil anzunehmen oder es anzufechten. Seitens der Anwältin der Kinder hieß es, dass noch nicht entschieden sei, ob die Kinder über den Zivilrechtsweg Schadenersatz einklagen; offen sei auch noch, ob gegen die Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes – je 1.000 Euro – vorgegangen wird.