Landesgericht Graz, Akten
APA/Erwin Scheriau
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Chronik

Vater erstickt: Mordprozess neu aufgerollt

In Graz ist am Dienstag ein Mordprozess neu aufgerollt worden: Ein 55-Jähriger soll im Juli 2018 in der Weststeiermark seinen pflegebedürftigen Vater erstickt haben. Im ersten Prozess zeigte sich der Angeklagte nicht geständig und sprach von einem Unfall.

Der 82-Jährige hatte zusammen mit seinem Sohn gewohnt. Dieser rief auch am 10. Juli 2018 den Arzt und bat um eine Totenbeschau – der Mediziner vermerkte einen natürlichen Tod und gab die Leiche zur Bestattung frei.

Obduktion nach Anzeige der Stieftochter

Am 21. Juli zeigte dann aber die Stieftochter des 82-Jährigen bei der Polizei in Salzburg an, dass sie „betreffend des Ablebens ihres Stiefvaters Zweifel habe“: Sie vermutete, dass ihr Stiefbruder mit dem Ableben des Vaters etwas zu tun hatte.

Die Staatsanwaltschaft veranlasste eine Obduktion und holte dafür den Leichnam, der bereits zu einem Krematorium gebracht worden war, wieder ab. Bei der Obduktion erhärtete sich der Verdacht auf Fremdverschulden.

Als gefährlich eingestuft

Der 55-jährige Sohn wurde Ende Juli 2018 festgenommen und stritt bislang ab, etwas mit dem Tod seines Vaters zu tun zu haben. Der Beschuldigte stand allerdings schon wiederholt vor Gericht: Unter anderem war ihm versuchte schwere Nötigung gegen den Sachwalter seines Vaters in Graz vorgeworfen worden.

Zudem war er während seiner Zeit in der U-Haft verhaltensauffällig: Er zeigte beispielsweise alle Justizorgane, die mit ihm zu tun hatten, an, schilderte Sprecher Hansjörg Bacher. Deshalb sei ein psychiatrisches Gutachten erstellt worden. Aus diesem geht hervor, dass der Beschuldigte geistig abnorm ist und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorliegt; zum Tatzeitpunkt soll er aber zurechnungsfähig gewesen sein. Der Sachverständige stufte den 55-Jährigen als gefährlich ein.

Weder geständig noch kooperativ

Der Angeklagte war bisher weder geständig noch kooperativ – mehr dazu in Vater erstickt: Mordprozess in Graz vertagt (3.10.2019) –, und daran hat sich auch bei der Neuauflage des Prozesses am Dienstag nichts geändert.

Der Prozess musste wegen eines Richterwechsels im Senat neu gestartet werden –, damit war der Angeklagte aber nicht einverstanden. Als sein Redefluss, gespickt mit Paragrafen aller Art, nicht zu stoppen war, unterbrach ihn der Richter. „Ich ermahne Sie“, versuchte er es, doch er kam nicht weit. „Sie haben kein Recht, mich zu ermahnen“, fuhr der 55-Jährige gleich dazwischen und fügte hinzu: „Sie verdrehen die Gesetze, wie Sie wollen.“

„Das ist eine Befragung, keine Lesestunde“

Der Angeklagte wollte eine 55-seitige Verteidigung vorlesen. „Das ist eine Befragung, keine Lesestunde“, unterband der Richter das Vorhaben – also begann der Angeklagte, die Geschichte weitschweifig aus dem Gedächtnis zu schildern.

„Er starb im Schlaf“

Er blieb dabei, dass sein Vater eines natürlichen Todes gestorben sei: Der 82-Jährige habe plötzlich nicht mehr geatmet, beschrieb er. Den Arzt hatte er erst später verständigt. „Warum haben Sie nicht versucht, ihn wiederzubeleben?“, fragte eine Geschworene. „Er war sterbenskrank, er hätte nur mehr ein paar Monate gelebt“, rechtfertigte sich der Beschuldigte. „Warum haben Sie es nicht wenigstens versucht?“, fragte die Laienrichterin weiter. „Gott entscheidet den Tag der Geburt und des Todes“, antwortete der 55-Jährige.

Die Staatsanwältin war anderer Ansicht: „Er hat seinen Vater kaltblütig ermordet“. Sie räumte ein, dass sicher mehrere Personen hinter dem Geld des Toten her gewesen wären, aber „er war der einzige, der Gewalt ausgeübt haben kann“.

Urteil für Donnerstag geplant

Der Angeklagte hatte sich immer als Sachverständiger für Kunst und ganz besonders als Renoir-Experte bezeichnet. Einer der Ermittler erklärte als Zeuge, dass der Beschuldigte „kein zertifizierter Sachverständiger“ sei. Dagegen wehrte sich der Mann heftig: „Ich habe Kurse besucht, ich bin Sachverständiger“, rief er erbost. „Stimmt ja nicht, das ist ein Blödsinn“, meinte sein eigener Verteidiger, doch auch das prallte an dem Deutschen ab. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt, dann sollte es auch ein Urteil geben.