Prozess gegen einen Iraker wegen vier Brandanschlägen in Graz
APA/INGRID KORNBERGER
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Gericht

Brandanschlagserie: Fünfeinhalb Jahre Haft

Ein 46-Jähriger, der sich am Dienstag im Grazer Straflandesgericht wegen vier Brandanschlägen verantworten hat müssen, ist zu fünfeinhalb Jahren Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher verurteilt worden.

Das Schöffengericht sprach ihn in allen Anklagepunkten schuldig, darunter teils versuchte Nötigung, versuchte schwere Körperverletzung und versuchte Brandstiftung. Der Angeklagte bat um drei Tage Bedenkzeit, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

„Äußerst zielgerichtet vorgegangen“

Das Schöffengericht war nach der Verhandlung überzeugt, dass der Beschuldigte Brandstiftung begehen und auch Menschen verletzen wollte, schilderte der Richter. „Sie sind bei den Bränden äußerst zielgerichtet vorgegangen“, sagte er zum Angeklagten nach dem Urteilsspruch. „Es war reines Glück, dass durch brandhemmende Materialien nicht mehr passiert ist.“ Aufgrund der Vielzahl an Verbrechen und Vergehen sei eine „empfindliche Freiheitsstrafe“ nötig.

Vorgeschichte und Vergehen

Der Staatsanwalt sprach während des Prozesses am Dienstag von mehreren angeklagten Verbrechen und Vergehen – darunter Nötigung, teils versuchte Körperverletzung, aber am schwersten würden die versuchten Brandstiftungen wiegen. Zuerst schilderte der Ankläger allerdings die Vorgeschichte des Irakers: Er war im September 2014 vom Irak in die Türkei und im Juni 2015 weiter nach Österreich geflüchtet; im Jänner 2016 kam seine Frau mit den Kindern nach, „aber es gab Probleme“.

Kinder wurden abgenommen

Gefährdungsmeldungen lagen vor, und die Jugendwohlfahrt wurde eingeschaltet: Es standen Vernachlässigung, körperliche sowie psychische Gewalt und Misshandlungen der Kinder im Raum, von Verbrennungen – auch im Genitalbereich – war die Rede, daher wurden den Eltern die Kinder im September 2017 abgenommen; sie kamen in SOS Kinderdörfer. Im April 2019 wollte der 46-Jährige die Obsorge zurück, doch die zuständige Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung lehnte den Antrag ab – das Schreiben wurde am 17. Juni 2019 zugestellt. Wenige Tage vorher soll er auch einen negativen Asylbescheid erhalten haben, schilderte der Staatsanwalt.

„Noch am 17. Juni rief er mehrmals beim Kinderdorf an, das er da bereits nicht mehr betreten durfte“, so der Staatsanwalt. Er hinterließ Beschimpfungen und Drohungen auf der Mobilbox der Einrichtung: Er werde alle fertig machen, den „Motherfuckern“ zeigen, was ein „Haus des Respekts“ sei. Er forderte die Kinder innerhalb von 24 Stunden zurück, ansonsten brenne er alles nieder, lautete die Drohung.

„Angetrieben von Zorn“

„Am 19. Juni fasste er den Entschluss, seine Drohungen in die Tat umzusetzen“, sagte der Ankläger – mehr dazu in Mehrere Brandanschläge auf Grazer Institutionen (19.6.2020). „Angetrieben von seinem Zorn, aber auch von Verzweiflung“, habe der Beschuldigte Plastikflaschen mit Benzin gefüllt und sei zuerst zum Bezirksgericht Graz-West: Dort schüttete er den Brandbeschleuniger aus, verteilte Zeitungen und sprühte auch in Richtung eines Sicherheitsbediensteten; dann zündete der 46-Jährige den Treibstoff an, das Hosenbein des Bediensteten begann dabei auch zu brennen. „Der Beschuldigte wollte einen weiteren Bediensteten absichtlich schwer verletzen“, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Kurz nach dem Brandanschlag im Gericht ging der Iraker weiter zum Rathaus ins Bürgermeisteramt, wo er ebenfalls Benzin anzündete – Mitarbeiter bemerkten die Flammen aber und löschten sie rasch. Dann marschierte der 46-Jährige weiter zur Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung in den vierten Stock, wo er im Warteraum Prospekte in Brand setzte.

Sicherheitsmaßnahmen verstärkt

Die Sicherheitsmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden wurden nach den Brandanschlägen verstärkt – mehr dazu in Sicherheitsschleusen für Amtsgebäude (27.2.2020).

Letzte Station war dann der Hauptbahnhof, wo er abermals gezielt mit Benzin auf einen Bahnbediensteten losging – dieser flüchtete aber, ehe der Angeklagte den Treibstoff entzünden konnte. Danach schlug der Iraker mit einem Staubsaugerrohr auf Gegenstände ein und bedrohte Passanten, ehe er verhaftet wurde. Die Feuersbrunstgefahr sei laut den Gutachten zwar eher gering gewesen, aber aus Sicht der Staatsanwaltschaft wollte der Mann die Ausbreitung der Flammen.

„Ganz Graz werde brennen“

Am Tag nach den Brandanschlägen drohte der Beschuldigte bei der Vernehmung mit weiteren Taten seiner „Mitstreiter“, ganz Graz werde brennen, wenn er nicht freikomme, die Krankenhäuser würden für die Verletzten nicht ausreichen und auch dort würden alle getötet. „Auch wenn die Drohungen nur heiße Luft waren, müssen sie ernst genommen werden“, so der Staatsanwalt.

Verteidiger: „Kurzschlusshandlungen“

Der Verteidiger des 46-Jährigen betonte dann in seinem Eröffnungsplädoyer, dass sein Mandant als Flüchtling in Österreich das System mit Anträge Stellen und dergleichen damals nicht verstanden habe – die Taten seien „Kurzschlusshandlungen“ gewesen. Grundsätzlich sei der Iraker geständig; er wollte Aufmerksamkeit, aber niemanden verletzen: „Es tut ihm selbstverständlich leid.“

Nun verstehe sein Mandant aber das System, und daher würde so etwas „sicher nicht mehr vorkommen“, er sei nun ein „anderer Mensch“, so der Verteidiger. Der Beschuldigte selbst gab an, dass er teilweise schuldig sei – die Drohungen gegenüber dem SOS Kinderdorf seien wahr: „Ich habe diesen Fehler gemacht.“ Gleiches gelte für Drohungen gegenüber der Bezirkshauptmannschaft. Die Brandanschläge bereue er: „Ich entschuldige mich dafür.“ Eine Feuersbrunst habe er nirgends verursachen wollen.

„Wollte keine Menschen verletzen“

Auf die Frage des Richters, ob er Benzin gezielt auf insgesamt drei Personen gesprüht habe, sagte der Beschuldigte: „Es war nie meine Absicht, Menschen zu verletzen.“ Die drohenden Aussagen bei der Vernehmung seien „leider auch so passiert“, aber es seien nur Drohungen gewesen, meinte der Iraker. „Ich weiß heute nicht mehr alles, was ich gesagt habe.“ Als Motiv gab er an: „Ich wollte die Kinder zurück, aber ich bin den falschen Weg gegangen. Ich bereue das und entschuldige mich dafür.“

Gutachter: „Geistige Abartigkeit“

Der psychiatrische Gutachter Manfred Walzl bescheinigte dem 46-jährigen Angeklagten eine „emotional instabile Störung von impulsivem Typ“: Der Beschuldigte sei „nicht in der Lage, Belastungsstörungen adäquat zu managen“, es liege eine „geistige Abartigkeit“ vor, doch die Zurechnungsfähigkeit sei gegeben gewesen, wenn auch vermindert: „Es war sicher kein Affekt, weil es gab Vorbereitungshandlungen“, schilderte Walzl.

Die Gefährlichkeitsprognose fiel eher düster aus: Der Angeklagte leide an einer schweren Erkrankung, mit deren Behandlung noch gar nicht begonnen wurde. Das Problem mit seinen Kindern sei ebenso ungelöst wie die bevorstehende Ausweisung. „Es braucht ein strukturiertes psychotherapeutisches Vorgehen.“ Im Falle einer Verurteilung empfahl der Gutachten einen unbedingten Maßnahmenvollzug, ansonsten sei davon auszugehen, dass es unbehandelt zu neuerlichen Tathandlungen kommen werde.

„Ich bereue das sehr“

Nach dem Gutachten wurden Videoaufnahmen aus den Überwachungskameras vom Bezirksgericht, dem Grazer Rathaus und dem Bahnhof gezeigt: Dabei ist der Beschuldigte zu sehen, wie er Benzin verschüttet, anzündet und dann Flammen teils meterhoch lodern. Der Iraker sagte darauf nur: „Das war nicht ich, ich bereue das sehr.“